Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

J Gr. Lehmann und sein System. 
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nicht tauglich sind, auf den Karten durch Kleckse zu bezeichnen, hatte ihm das Leit 
motiv gegeben, die stärkere Schraffe für die größere Steilheit zu verwenden und 
damit die Böschungsverhältnisse auf der Karte ausdrucksvoller und bestimmter als 
bisher zu bezeichnen. 1782 hatte Müller sein System fertig 1 , das er in seinem Werk 
über die Terrainlehre 1800 wenig verbessert neu herausgab. Er unterscheidet Erd- 
und Felsengradationen; von militärischem Standpunkt aus waren nur die erstem 
von Wichtigkeit, für die er eine nach Winkelgrößen geordnete Abstufung ,,Dossierung“ 
gab. Er nennt einen Abhang von mehr als 24facher Anlage (Dossierung) oder 6 Zoll 
Steigung auf 1 Buthe unmerklich und zeichnete ihn weiß, 
bei 24facher Dossierung sanft: fein gerissene Striche, 
,,12 ,, ,, flach: fein zusammenhängende Striche, 
,, G ,, „ prall: stärkere Striche, 
,, 8 ,, ,, stark: stärkere Striche, mit darüberlieg, feinen Strichen, 
,, 2 ,, ,, steil: stark abgesetzte Striche, 
,, 1 ,, ,, (45°) jäh: dicke abgesetzte Striche. 
Die darübergehenden Eelsengradationen wurden von Müller schroff, senk 
recht und hohl (überhängend) benannt und durch dicke abgesetzte Striche mit feinen, 
starken und dicken Querstrichen bezeichnet. 
Das Müllersche System ist das erste, das nach Winkelgrößen und dem Grundsätze 
,,je steiler desto dunkler“ abstuft. „Mit der Aufstellung dieses Prinzips streifte die 
Böschungsschraffierung“, wie K. Peucker sagt, „sozusagen die Kinderschuhe ab, 
hat sich die Manier vor dem schwankenden Boden des künstlerischen Gefühles hin 
weg auf die (vom kartographischen Standpunkte) höhere Stufe eines bewußt be 
folgten Prinzips erhoben.“ 1 2 3 Daß es seinerzeit Anerkennung und Berücksichtigung 
in Militärschulen fand, ist leicht erklärlich, und trotzdem war es Willkürlichkeiten 
ausgesetzt, denn jeder Zeichner konnte sich, ohne die Müllersche Skala zu verletzen, 
eine eigne Tonfolge anlegen, da die Stärke, die den einzelnen Tonstufen zu geben 
war, nicht klar und eindeutig formuliert war. 
Dieser Mangel wurde durch den sächsischen Major J. G. Lehmann glücklich 
behoben. Unabhängig von Müller entwickelte Lehmann seine Lehre; er ging von dem 
Prinzip „Je höher desto dunkler“ oder richtiger gesagt: „Je steiler desto dunkler“ 
aus, das zu seiner Zeit schon gang und gäbe und nicht erst von Müller geschaffen 
worden war. Zuerst veröffentlichte Hauptmann Backenberg die Lehmannsch 
Manier, indem er selbst darauf aufmerksam macht, daß die Idee, die Schraffen nacl 
einem bestimmten System zu zeichnen, von seinem Schüler Lehmann herstamme. 
Wie Müller legte Lehmann das Schwergewicht auf die Erdgradationen, die Felsen 
gradationen spielten für ihn gar keine Bolle. Während Müller bei den ersten Grada 
tionen nur sechs Stufen bestimmt, führt Lehmann bis zur Neigung von 45° neun 
gleichmäßig abgegrenzte Stufen ein, deren Wesen und Bedeutung wir an der Hane 
der Lehmannschen Darlegungen näher kennen lernen wollen. 
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1 L. Müller: Vorschriften zu militärischen Plan- und Kartenzeichnungen. Potsdam 1782. 
2 K. Peucker: Schattenplastik u. Farbenplastik. Wien 1898, S. 32. 
3 Backenberg: Lehrbuch der Kriegswissenschaften, für die Bedürfnisse der churfürstlich 
sächsischen Ritterakademie. Dresden 1797. II. S. 64.
	        
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