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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
ebenen sind miteinander parallel, und zwei um den Berg gezogene Horizontalen
haben in allen Punkten gleiche senkrechte Entfernungen voneinander, aber die
Horizontalentfernungen dieser Punkte können sehr verschieden sein.“ Zuletzt sagt
er noch: ,,Alle um einen Berg gezogene Horizontalen geben zugleich die Lage der
Böschungsstriche an, da sie rechtwinklig durch jene liegen, und die Lage dieser
Böschungsstriche läßt sich um so leichter bestimmen, je mehr der Horizontalen ge
zogen werden.“ 1 In dem fertigen Kartenbilde ließ er die Höhenlinien nicht erscheinen,
weil ihre genaue Lage infolge der seinerzeit noch ermangelnden Höhenbestimmungen
mehr oder minder imaginär war. Für ihn war die Horizontallinie lediglich ein reines
Kartenkonstruktionselement.' Die Geländeneigungen konnten mit dem Qua
dranten genügend sicher ermittelt werden, um aber den Lauf der Horizontalen zu
erkennen, bedurfte es eines eingehenden Studiums der Formen an Ort und Stelle.
Das Auge mußte außerordentlich scharf beobachten. Nach ihm konnte das Krokieren
nicht sorgfältig und gewissenhaft genug sein. Das war auf die Ausbildung der damaligen
Topographen von größtem Einfluß, und wir wissen, daß aus seiner Schule ganz vor
zügliche Topographen hervorgegangen sind. Er stellte ferner den Grundsatz auf,
daß nur da, wo das Land im Grundriß aufgenommen ist, die Geländeformen richtig
nach Ausdehnung und Lage dargestellt werden können. Schließlich legte er auf den
Entwurf der Geripplinien, die unbedingt zum Grundriß gehören, großes Gewicht. 1 2
300. Lehmann im Urteil seiner Zeitgenossen und Nachfolger. Lehmann hatte
den Bann des Herumtappens nach einer brauchbaren Geländedarstellung gebrochen
und wurde einer der Begründer der modernen Geländedarstellung, weil er, wie Peucker
so schön und treffend gesagt hat, „die Bergstriche in das mathematische Gerüst der
dritten Dimension einfügte und sie mit kräftig ordnendem Ruck streng senkrecht
zu den Horizontallinien stellte.“ 3 Bei vielen seiner Zeitgenossen hatte Lehmann Ver
ständnis gefunden, doch ist auch seine Theorie bei Lebzeiten sowohl wie nach seinem
Tode teils widerwillig anerkannt 4 , teils heftig angefeindet worden 5 , und trotzdem hat
sie ihre Lebensfähigkeit bis auf unsere Tage bewiesen, eben weil sich in ihr ein wahres,
leichtverständliches, wissenschaftliches Lebensprinzip offenbart. Sie indentifizierte
den Wechsel der Böschungen kartographisch „mit einem ziffernmäßig bestimmten
1 J. G. Lehmann: Darstellg. einer neuen Theorie der Bezeichnung der schiefen Flächen im
Grundriß oder der Situationszeichnung der Berge. Leipzig 1799, S. 87, 88.
2 All diesen letzten Punkten legte auch Br. Schulze bei der Würdigung Lehmanns große
Bedeutung bei. Vgl. sein Werk: Das militärische Aufnehmen. Berlin u. Leipzig 1903, S. 173.
3 K. Peucker: Farbenplastik u. Schattenplastik. Wien 1898, S. 33.
4 Dem Aufsatze C. Hödlmoser „Über Terraindarstellung in Karten“, Mit. d. mil.-geogr.
Tnst. Wien 1898, entnehme ich, daß unter andern Meinert in seinem 1800 erschienenen Lehrbuche
der Kriegswissenschaften schreibt, daß er „für seine Person dieser vollständigen Theorie ganz und
gar nicht ergeben sei, aber doch wünsche, alle Situationspläne wären nach derselben ausgearbeitet
oder würden in der Folge danach entworfen.“
5 Noch ehe J. G. Lehmann seine Theorie der weitern Öffentlichkeit preisgab, waren ihm bereits
Gegner erwachsen, so in dem preuß. Obersten von Le Coq, der in den Allg. Geogr. Ephemeriden,
Sept. 1798, die Unanwendbarkeit der Lehmannschen Zeichenlehre nachzuweisen versuchte. Schlimmer
gegen Lehmann benahm sich ein Offizier des sächs. Ingenieurkorps im Berliner Militärischen Wochen
blatt, indem er hervorhob, Lehmann habe erst die sächs. Zeichenmanier erlernt, um sie als sein er
sonnenes Werk herauszugeben. Dabei ist ein Kriterium der sächs. Manier jener Zeit die Kreuzschraffur!
Vgl. J. G. Lehmann: Die Lehre der Situationszeichnung. 4. Aufl. 1828, S. XV der Einleitung. —
Ausführlichere Mitteilungen und Urteile über Lehmanns Methode finden sich z. B. in verschiedenen
Jahrgängen der „Österreichischen milit.-Zeitschrift“, Wien 1823, 1826, 1833.