Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

516 
Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung. 
ebenen sind miteinander parallel, und zwei um den Berg gezogene Horizontalen 
haben in allen Punkten gleiche senkrechte Entfernungen voneinander, aber die 
Horizontalentfernungen dieser Punkte können sehr verschieden sein.“ Zuletzt sagt 
er noch: ,,Alle um einen Berg gezogene Horizontalen geben zugleich die Lage der 
Böschungsstriche an, da sie rechtwinklig durch jene liegen, und die Lage dieser 
Böschungsstriche läßt sich um so leichter bestimmen, je mehr der Horizontalen ge 
zogen werden.“ 1 In dem fertigen Kartenbilde ließ er die Höhenlinien nicht erscheinen, 
weil ihre genaue Lage infolge der seinerzeit noch ermangelnden Höhenbestimmungen 
mehr oder minder imaginär war. Für ihn war die Horizontallinie lediglich ein reines 
Kartenkonstruktionselement.' Die Geländeneigungen konnten mit dem Qua 
dranten genügend sicher ermittelt werden, um aber den Lauf der Horizontalen zu 
erkennen, bedurfte es eines eingehenden Studiums der Formen an Ort und Stelle. 
Das Auge mußte außerordentlich scharf beobachten. Nach ihm konnte das Krokieren 
nicht sorgfältig und gewissenhaft genug sein. Das war auf die Ausbildung der damaligen 
Topographen von größtem Einfluß, und wir wissen, daß aus seiner Schule ganz vor 
zügliche Topographen hervorgegangen sind. Er stellte ferner den Grundsatz auf, 
daß nur da, wo das Land im Grundriß aufgenommen ist, die Geländeformen richtig 
nach Ausdehnung und Lage dargestellt werden können. Schließlich legte er auf den 
Entwurf der Geripplinien, die unbedingt zum Grundriß gehören, großes Gewicht. 1 2 
300. Lehmann im Urteil seiner Zeitgenossen und Nachfolger. Lehmann hatte 
den Bann des Herumtappens nach einer brauchbaren Geländedarstellung gebrochen 
und wurde einer der Begründer der modernen Geländedarstellung, weil er, wie Peucker 
so schön und treffend gesagt hat, „die Bergstriche in das mathematische Gerüst der 
dritten Dimension einfügte und sie mit kräftig ordnendem Ruck streng senkrecht 
zu den Horizontallinien stellte.“ 3 Bei vielen seiner Zeitgenossen hatte Lehmann Ver 
ständnis gefunden, doch ist auch seine Theorie bei Lebzeiten sowohl wie nach seinem 
Tode teils widerwillig anerkannt 4 , teils heftig angefeindet worden 5 , und trotzdem hat 
sie ihre Lebensfähigkeit bis auf unsere Tage bewiesen, eben weil sich in ihr ein wahres, 
leichtverständliches, wissenschaftliches Lebensprinzip offenbart. Sie indentifizierte 
den Wechsel der Böschungen kartographisch „mit einem ziffernmäßig bestimmten 
1 J. G. Lehmann: Darstellg. einer neuen Theorie der Bezeichnung der schiefen Flächen im 
Grundriß oder der Situationszeichnung der Berge. Leipzig 1799, S. 87, 88. 
2 All diesen letzten Punkten legte auch Br. Schulze bei der Würdigung Lehmanns große 
Bedeutung bei. Vgl. sein Werk: Das militärische Aufnehmen. Berlin u. Leipzig 1903, S. 173. 
3 K. Peucker: Farbenplastik u. Schattenplastik. Wien 1898, S. 33. 
4 Dem Aufsatze C. Hödlmoser „Über Terraindarstellung in Karten“, Mit. d. mil.-geogr. 
Tnst. Wien 1898, entnehme ich, daß unter andern Meinert in seinem 1800 erschienenen Lehrbuche 
der Kriegswissenschaften schreibt, daß er „für seine Person dieser vollständigen Theorie ganz und 
gar nicht ergeben sei, aber doch wünsche, alle Situationspläne wären nach derselben ausgearbeitet 
oder würden in der Folge danach entworfen.“ 
5 Noch ehe J. G. Lehmann seine Theorie der weitern Öffentlichkeit preisgab, waren ihm bereits 
Gegner erwachsen, so in dem preuß. Obersten von Le Coq, der in den Allg. Geogr. Ephemeriden, 
Sept. 1798, die Unanwendbarkeit der Lehmannschen Zeichenlehre nachzuweisen versuchte. Schlimmer 
gegen Lehmann benahm sich ein Offizier des sächs. Ingenieurkorps im Berliner Militärischen Wochen 
blatt, indem er hervorhob, Lehmann habe erst die sächs. Zeichenmanier erlernt, um sie als sein er 
sonnenes Werk herauszugeben. Dabei ist ein Kriterium der sächs. Manier jener Zeit die Kreuzschraffur! 
Vgl. J. G. Lehmann: Die Lehre der Situationszeichnung. 4. Aufl. 1828, S. XV der Einleitung. — 
Ausführlichere Mitteilungen und Urteile über Lehmanns Methode finden sich z. B. in verschiedenen 
Jahrgängen der „Österreichischen milit.-Zeitschrift“, Wien 1823, 1826, 1833.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.