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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
gewiegteste Meister des Schraffenstichs, wie wir sie von den topographischen Karten
Frankreichs,. der Schweiz, Österreichs und Deutschlands 1 her kennen und von den
chorographischen Karten der Perthesschen Anstalt zu Gotha; auch in den karto
graphischen Anstalten von Wagner & Dehes und von Yelhagen & Klasing, beide in
Leipzig, begegnen wir ihnen. Indes führen uns die Karten dieser Institute bereits
in ein Gebiet hinüber, das gleich einer nähern Betrachtung unterzogen werden soll.
Vordem möchte ich bloß noch auf die Ansichten über schräge und senkrechte Be
leuchtung bedeutender Vertreter der geographischen und militärischen Wissenschaft
hinweisen, wobei das Problem mehr allgemein behandelt wird, zumeist ohne Rück
sicht auf die Geländedarstellung in Schraffen, Schummerung oder Farbe.
322. Deutsche Haupt Vertreter der schrägen Beleuchtung. Fast zur selben Zeit,
als man in Frankreich durch die Bemühungen Hossards sich glücklich zur böschungs
treuen Karte durchgerungen hatte, beschäftigte sich in Deutschland Chauvin mit
der Untersuchung der Fehler der Lehmannschen Darstellungsweise und brachte neue
Vorschläge zur Einführung der schrägen Beleuchtung. 1 2 Die Schichtlinien sind ihm
die Voraussetzung jeder topographischen Karte ohne Rücksicht auf die Beleuchtung.
Einer seiner Hauptsätze lautet: ,,Beim Bergzeichnen ist die Anwendung von Licht
und Schatten, und zwar unter Annahme einer schrägen und nach Gesetzen der natür
lichen Beleuchtung notwendig.“ Was sind aber Gesetze der natürlichen Beleuchtung?
Ein Einfallen der Lichtstrahlen auf der Horizontalebene in 30°, wobei die Projektion
der Lichtstrahlen gegen den Kartenrand unter 45° zu erfolgen hat, — also eine genaue
NW-Beleuchtung. „Der Winkel von 30° bezeichnet die Grenze der Praktikabilität
der Truppen, weil steilere Hänge nur durch einzelne Menschen erklettert werden.“
Mithin ist auch ihm ein militärischer Standpunkt maßgebend. Es scheint mehr als
gewagt, den Böschungswinkel nach Chauvinscher Theorie mit dem Winkel des Licht
einfalls direkt in Beziehung zu setzen; voll beleuchtete Flächen kann man dann nur
bei Böschungen von 60° Neigung erhalten, und diese sind außerordentlich selten,
besonders in Mittelgebirgsregionen. Chauvin sieht von dem Schlagschatten ab, weil
er nach seiner Ansicht da, wo er sich zeigt, an und für sich nicht wesentlich beiträgt,
die Unebenheiten des Geländes hervortreten zu lassen, und in betreff der Darstellung
aller übrigen Situationsgegenstände keine größere Gleichmäßigkeit herbeiführt. Er
glaubt, mit seiner von ihm vorgeschlagenen schrägen Beleuchtung die feinsten Modu
lationen der Geländeformen in prägnantester Weise und in einer bis dahin ungeahnten
Vollkommenheit veranschaulichen zu können.
In acht Punkten faßt Chauvin die Vorteile seiner Bergzeiclmenmethode zu
sammen 3 , deren Grundgedanken oben bereits wiedergegeben wurden, und die daran
kranken, weder den Unterschied von Böschungswinkel und Lichteinfallswinkel noch
das Wesen der Böschungsschraffe und der Schichtlinien ordentlich erfaßt zu haben.
Immerhin waren seine Darlegungen für ihre Zeit sehr beachtenswert, bilden sie doch
1 Von den altern Karten in Schraffenmanier nach Lehmannschen Regeln will ich hier ganz
absehen, aber doch an spätere mit gleicher Gesetzmäßigkeit behandelte aus H. Petters Anstalt
in Hildburghausen, jetzt in Stuttgart, erinnern, wozu z. B. verschiedene Alpenkarten gehören.
Die Firma Giesecke u. Devrient in Leipzig ist gleichfalls berühmt durch den Stich topo
graphischer Karten.
2 F. Chauvin: Das Bergzeichnen rationell entwickelt. Berlin 1854.
3 Fr. Chauvin, a. a. 0., S. 52—57.