Senkrechte und schräge Beleuchtung.
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rein terrestrischer Standpunkt eingenommen wird. Die steilen Flächen erscheinen
deshalb helle, die weniger steilen dunkel, ganz so wie es die horizontale Abendsonnen
beleuchtung im Hochgebirge erkennen läßt. Die zentripetale Seitenbeleuchtung
,,zeigt uns das Gelände vom menschlichen Standpunkte aus, und darin liegt unsers
Erachtens der Grund für die allgemeine Anwendbarkeit der Lehmannschen Schraffen-
skala, daß sie uns das Gelände von solchem Standpunkte aus veranschaulicht.“ 1 Ich
hin sicher, daß diesen Satz kein einziger Kenner und Kartograph der Lehmannschen
Schraffen unterschreiben Avird. Was heißt überhaupt „vom menschlichen Standpunkt
aus“ ? Ist es \ T ielleicht kein menschlicher Standpunkt, Avenn ich vom Flugzeug aus
das Gelände überblicke? Penck hat gar nicht daran gedacht, daß beim Oberlicht
das Gelände ganz, bei Schräglicht größtenteils ganz und beim Seitenlicht nur ein
seitig erblickt wird; um da zu einem Kartenbild zu gelangen, muß die Lichtquelle
in den 860 Graden des Kreises bewegt werden; mit der Sonne in der Hand spaziert
man um das Gebirge herum. Ferner hat Penck dabei die geometrische Darstellung
des Gebirges im Grundriß außer acht gelassen; denn was nutzt es mir, Avenn die steil
geneigten Böschungen besser beleuchtet werden, geometrisch gerecht kann ich sie
sowieso nicht darstellen 1 2 ; und die von Natur aus Avenig geneigten Flächen bekämen
eine unnatürliche BöschungSAvirkung. Wenn sich Penck nur eine kleine Kartenskizze
in zentripetaler Beleuchtung hergestellt hätte, Avürde er von ihrer naturwahren
plastischen Wirkung wohl kaum entzückt gewesen sein und erfahren haben, Avie ohn
mächtig die Karten selbst mit ihren besten Darstellungsmitteln sein können.
Hält man nun den Effekt der seitlichen Beleuchtung kartographisch fest, wird
er zunächst den üblichen Kartenbildern gegenüber einen falschen Eindruck envecken,
den man aber für die Anschauung in einen richtigen umdenken kann, wenn man
sich auf sclrwarzem Untergrund den Schatten in w r eißen Strichen oder Punkten dar
gestellt denkt, also ganz ATie beim Zeichnen auf der WAndtafel, wo man den Schatten
durch weiße Kreidestriche auf schwarzer Grundfläche darstellt. Daraus folgert Penck
Aveiter, daß die Schraffen oder Punkte direkt als Symbole der Beleuchtung anzunehmen
sind. Dann ist die „Schattierung nicht als Symbol des Lichtmangels, sondern direkt
der Beleuchtung anzusehen“; und man kann mit ihm übereinstimmen, daß durch
diese Annahme, die ich sogleich noch anders präzisieren werde, eine ganze Beihe von
Schwierigkeiten beseitigt Averden können, die der theoretischen Interpretierung der
bisher üblichen Beleuchtungsmethoden nach Lehmann und Dufour entstanden, und
daß die Schattenplastik alsdann zur „Lichtplastik“ wird. Penck ist da, d. h. mit der
EntAvicklung und Bezeichnung von Lichtplastik zu dem gleichen Ergebnis gekommen,
Avie ich es 1897/98 bereits bekundet hatte. 3 Entschieden geht man zu weit, Avenn
die Schweizer Reliefkarten als lichtplastisch bezeichnet werden; dann Avird der Aus-
1 A. Penck, a. a. O., S. 82.
2 E. Hammer macht i. G. J. XXIV, 1901/02, S. 47, auf die Fälle aufmerksam, wo die Grund-
ri(Klarstellung und damit die Geländedarstellung versagt, wie bei dem Stufenaufbau eines Gebirges
oder bei einer Plateaulandschaft, wo man nur mit farbigen Höhenschichten einen Ausweg findet,
z. B. auf der Karte des Rilagebirges in Bulgarien von Cvijic (Z. d. Ges. f. Erdk. Berlin 1898, Taf. 8)
oder die Karte des obern Nilgebietes von E. de Martonne (Z. d. Ges. f. Erdk., Berlin 1897, Taf. 8).
3 Mit K. Peucker habe ich mich über die „Lichtplastik“ in jenen Zeiten schriftlich verständigt.
Penck nahm damals dann und wann bei seinen Reisen nach und durch Leipzig an den Sitzungen des
„Geographischen Abends“, einer Vereinigung von Leipziger Geographen, teil, wo ich einigemal die
Grundlinien meines Punktsystems für Geländedarstellung zum Vortrag gebracht hatte.