Die historische Methode in der Kartographie.
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Von dem großartigen Fortschritt selbst bei einer einzelnen kartographischen
Anstalt gibt die Gegenüberstellung von afrikanischen Karten auf Tafel 11 in Peter
manns Geographischen Mitteilungen vom Jahre 1905 ein beredtes Zeugnis; dort die
alte Afrikakarte aus der ersten Ausgabe von Stielers Handatlas, entworfen und
gezeichnet von C. G. Reichard 1820, hier die neue Afrikakarte aus der damals
neuesten Stielerausgabe, bearbeitet von C. Barich 1905, dort die große, phantastische
Schraffenzeichnung, hier die fein temperierte Geländedarstellung, dort die großen
leeren Flecken unbekannten Landes, hier eine Fülle von erkundetem und vermessenem
Kartendetail, die die winzigen Flecke kleiner unbekannter Regionen bei dem Maß
stab der Karte nicht mehr darstellbar macht.
Zuletzt bleibt die historische Aufstellung besonderer Kartengruppen übrig,
wie der Wirtschafts-, Verkehrs-, statistischen, geologischen Karte usw. Über die
Entwicklung der Alpenkarten im 19. Jahrhundert hat E. Oberhummer in der Zeit
schrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins eine Reihe von Aufsätzen,
die durch instruktive Kartenproben illustriert sind, veröffentlicht. Derartige Ab
handlungen werden immer willkommen geheißen, nur hätten wir in vorliegendem
Falle auch gern etwas über die Aufnahmemethoden und die Genauigkeit der Karten
gehört. Das Rätsel der Portulankarten scheint jetzt völlig gelöst zu sein. Doch eine
lange Zeit emsigen Forschens und Erwägens mußte verstreichen, ehe man den Portulan
karten die richtige Stellung in der kartographischen Entwicklung einzuräumen ver
stand. A. Breusing, K. Kretschmer, E. v. Nordenskiöld und vorzugsweise
H. Wagner haben an der Lösung des Problems gearbeitet.
13. Die kartographischen Schulen und Pflegestätten. Überblickt man eine
längere Zeit und versucht leitende Gesichtspunkte irgendeiner Kulturerscheinung
herauszuschälen, nimmt man wahr, daß sich die Kartographie bald in diesem, bald
in jenem Lande stärker entwickelte. Es bildeten sich Schulen, wie man zu sagen
pflegt. Sie bedeuten gewissermaßen Höhepunkte in der jeweiligen Kartenentwicklung
und hängen mit dem geistigen und künstlerischen und zuletzt auch politischen
Leben eng zusammen. Für den Kartenhistoriker ist ein großer Reiz, die Fäden zu
verfolgen, die von einem Volk auf das andere, von einer Kartenschule auf die andere
anderer Nationalität überleiten.
Über die deutschen Kartographen der Renaissance ist bis jetzt das meiste Licht
verbreitet worden. Aus der elsässisch lothringischen Schule, zu der Ludw. Ringmann,
Phrysius (Frisius) und Villanovanus (Serveth) gehören, ragen Waldsee
müller und Sebastian Münster hervor. Diese Schule wetteiferte aufs beste, wie
Gallois nachgewiesen hat 1 , mit der Nürnberger Schule, deren Haupt Vertreter
Schoener, Pirckheymer und Werner waren. Doch haben Waldseemüller
und S. Münster wohl den größten Einfluß gewonnen, dieser um 1550 durch seine
Kosmograpliie 1 2 , jener durch seine bedeutenden kartographischen Arbeiten. Wald
1 L. Gallois, a. a. O., S. 38.
2 Über die V. Hantzsch (Seb. Münster. Leipzig 1898) urteilt: „Sie ist die erste ausführliche,
zugleich wissenschaftl. u. volkstüml. Weltbeschreibung in deutscher Sprache, eine Frucht achtzehn
jährigen eignen Fleißes und freiwilliger Mitarbeit von mehr als 120 Standespersonen, Gelehrten und
Künstlern, ein Buch, das wegen seiner Vielseitigkeit und beispiellosen Verbreitung mit Recht als ein
Hauptwerk der gesamten geographischen Literatur des Reformationszeitalters betrachtet werden
darf.“ Die Kosmograpliie wurde in die verschiedensten Sprachen übersetzt und erlebte eine Menge
Auflagen (s. Anm. 2, S. 42).