Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung. 
orientieren wir uns am Tage, wenn auch der Nordpolarstern in der Nacht einen be 
quemem Orientierungspunkt bietet. Er verhehlt sich nicht, daß eine Änderung in 
der gewohnten Orientierung gleich bedeuten würde einer Revolution im Karten 
wesen, da in der gesamten kartographisch schaffenden Welt übereinstimmend die 
nördliche Orientierung Trumpf ist. Einstweilen muß noch der herrschenden Mode 
gehuldigt werden, aber es sollte doch angefangen werden, auf der Spezialkarte sich 
von der gewohnten Sklaverei zu emanzipieren. Schon die Schule müßte Wert darauf 
legen, Karten in umgekehrter Lage zu lesen, damit sonst gute Landeskenner auch eine 
Gegend wieder erkennen, wenn sie ihnen in verkehrter Orientierung vorgelegt wird. Auf 
eine Erfahrung weist Becker hin, die gleichfalls ich während des Weltkrieges zu machen 
öfter Gelegenheit hatte, insofern Kartenbenutzer die Karte fortwährend herumdrehen 
oder dem Terrain entsprechend falsch orientiert halten mußten, „einfach, weil sie 
nicht gewohnt sind, die doch so deutliche Schrift auch in umgekehrter Lage zu lesen. 
Man sollte doch meinen, mit unendlich kleiner Mühe wäre das zu erreichen. Wie viele 
andere theoretische Geschichten bringen wir unsern Schülern mit der größten Mühe 
hei, während wir nie von ihnen verlangen, die Kartenschrift in umgekehrter Lage 
lesen zu können.“ Hierzu dürfte wohl mancher Schulmann die Stirne runzeln. Alles 
in allem gesagt, soll nach Becker einfach der Grundsatz gelten, das Objekt, wenn 
man nicht gezwungen ist, in einem allgemeinen Rahmen zu bleiben, in der Richtung 
zu beleuchten, die die naturgemäße ist, und danach die Orientierung richten. Da 
durch hofft er, daß die Karten allgemein verständlicher und benutzbarer würden. 1 
330. Südliche Beleuchtung und Orientierung. Ein anderer Schweizer, A. Heim, 
legt sich für eine südliche Beleuchtung und Orientierung ganz geharnischt ins Zeug. 
Auf seiner Ballonfahrt über die Alpen 1 2 hatte er sich von der Unnatürlichkeit der Be 
leuchtung der Alpenkarten zur Genüge überzeugt, was auch wieder in dem oben er 
wähnten Brief an Chr. v. Steeb zum Ausdruck kommt: „Wenn nun die Vertreter 
der schiefen Beleuchtung nicht zu bekehren sind, dann sollen sie wenigstens eine 
schiefe Beleuchtung anwenden, welche nicht der Wirklichkeit entgegensteht, sondern 
in der Tat vor kommt. Es ist eine traurige Verknöcherung mancher Topographen, 
wenn sie stets NW-Licht nehmen. Ich behaupte, es ist ganz falsch, wenn wir in der 
Karte den Abhang in schiefem Schatten sehen, an welchem wir und alle Geographen 
schüler in Sonnenglut geschmachtet haben und denjenigen in Sonnenglanz, wo wir im 
kühlen Schatten geruht. Es ist falsch, wenn die Karte den Anhang mit Schatten 
vegetation und Wald in die Sonne stellt, und denjenigen, der mit sonnebedürftigen 
Kulturen und Dörfern besetzt ist, in den Schatten. 3 Das ganze Vegetationskleid, 
1 Hofer und Burger haben nach dem Entwurf von Becker eine Reliefkarte der Albiskette 
hergestellt, worauf einer natürlichen Beleuchtung mit von N abweichender Orientierung Rechnung 
getragen wird. — Hierzu gehört auch die Reliefkarte der Zentralschweiz von X. Imfeld, hg. vom 
Verein zurFörderg. des Fremdenverkehrs am Vierwaldstätter See u. Umgebung. — Becker selbst hat 
seine Karte „Die oberitalienischen Seen und ihr Exkursionsgebiet“ in 1:150000 (Winterthur) von S 
und SO beleuchtet. 
2 A. Heim: Fahrt der Wega über Alpen und Jura. Basel 1900. 
3 M. Eckert: Grundriß der Handelsgeographie. I. Leipzig 1905, S. 30. Hier weise ich auf 
ein besonders drastisches Beispiel hin. Auf der Sonnenseite des Rhonetales zwischen Martigny wohnen 
34000, auf der Schattenseite 20000 Menschen. Auf dem sonnigen Ufer sind die Bewohner nicht nur 
zahlreicher, sondern auch wohlhabender und gebildeter und mischen sich nicht gern mit der Bevölke 
rung des Schattenufers. Nach der Schattengebung unserer schräg von NW beleuchteten Karten (z. B.
	        
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