572
Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
graphen. Freilich geben es viele Kartographen nicht gern zu und manche unter
ihnen, die der schrägen Beleuchtung huldigen, faseln von deren wissenschaftlicher
Grundlage, ohne mit ihren Opera je den Beweis für den mathematischen Aufbau
der Böschungstöne angetreten zu haben. Gerade hier wird soviel den Laien vor
gemacht, wenn nicht gar die betreffenden Kartographen — sie gehören Gott sei Dank
nicht großen Instituten an — sich selbst etwas vormachen und an ihren Unsinn glauben.
Erst nachdem es H. Wiechel gelungen war, der schrägen Beleuchtung ein wissen
schaftliches Heim zu geben, war der Bann wohl innerlich gebrochen, d. h. man war
beruhigt, sich nun endlich mit einer Theorie für die schräge Beleuchtung schmücken
zu können 1 ; aber nicht äußerlich, denn bis jetzt ist mit Ausnahme von Wiechels
Karten selbst keine andere Karte konsequent nach dessen Theorie ausgeführt worden
und meistens wird in der alten bekannten und ach! so bequemen Weise fortgewurstelt.
341. Wiechels System der schrägen Beleuchtung (in Schummerung). H. Wiechel
ist zu seinen Ausführungen durch L. Burmester angeregt worden 1 2 , besonders auch
durch dessen Atlas zur Theorie und Darstellung der Beleuchtung gesetzmäßig ge
stalteter Flächen. Die auf Taf. VI des Atlas dargestellten Figuren zur Berechnung des
Logarithmoides mußten anreizen, Burmesters Theorie der Isophoten- (Linien gleicher
Helligkeit) Zeichnung auf die nicht gesetzmäßig verlaufenden Flächen der überaus
mannigfaltigen Erdoberfläche zu übertragen. Die Grundzüge des wissenschaftlichen
Geländes, das Wiechel für die schräge Beleuchtung aufgerichtet hat, sind kurz folgende. 3
Zunächst wird eine strenge, konsequent durchgeführte schräge Beleuchtung voraus
gesetzt. Infolgedessen dürfen beispielsweise die Ebenen und ähnliche Oberflächen
erscheinungen nicht weiß, wie auf den meisten schräg beleuchteten Karten, erscheinen;
auf den senkrecht beleuchteten sind die weißen Ebenen selbstverständlich. Mit Hilfe
der konsequenten schrägen Beleuchtung wird nun für jede geneigte Fläche, richtiger
für jeden Punkt einer geneigten Fläche, der Helligkeitsgrad berechnet, indem man
zunächst den Neigungswinkel der Fläche zur Horizontalen mit dem einfallenden
Lichtstrahl in Beziehung setzt. Der Winkel, den der Lichtstrahl (L) mit der Senk
rechten oder sogenannten Flächennormalen (F), die senkrecht auf der Böschungs
fläche steht, bildet, ist der Einfallwinkel „e“. Der Winkel zwischen F und V, also
1 s. S. 494, Anm. 3.
2 L. Burmester: Theorie u. Darstellung der Beleuchtung gesetzmäßig gestalteter Flächen.
Mit einem Atlas von 14 Tafeln. Leipzig 1871. — Wichtige Werke auf dem Gebiete der Beleuchtungs
kunde sind außerdem J. Egle: Abhandlung üb. das Schattieren der Oberflächen regelmäßiger Körper.
Stuttgart 1855; Franz Tilscher: Die Lehre von den geometrischen Beleuchtungskonstruktionen.
Wien 1862; C. Rieß: Schattierungskunde. Stuttgart 1871. Wesentlich neuem Datums ist Ad. Göller:
Lehrbuch der Schattenkonstruktion u. Beleüchtungskunde. Stuttgart 1895. Das Buch von Göller
ist einfacher und verständlicher als das von Burmester und behandelt die Schattenkonstruktionen
selbständig, sowohl mit der für das praktische Schaffen genügenden Vollständigkeit als mit der wün
schenswerten Entwicklung des Schwierigem aus seinen einfachen Grundlagen. Wäre Göllers Werk
fast gleichzeitig mit dem von Burmester erschienen, hätte sicherlich Wiechels Theorie an Einfachheit
und Verständlichkeit gewonnen.
3 H. Wiechel: Theorie u. Darstellung der Beleuchtung von nicht gesetzmäßig gebildeten
Flächen mit Rücksicht auf die Bergzeichnung. Mit 3 Tafeln. Civilingenieur. XXIV. Heft 4 u. 5.
Freiberg u. Leipzig 1878. — Inhaltlich gut wiedergegeben bei K. Zöppritz: Leitfaden der Karten
entwurfslehre. Leipzig 1884, S. 146ff. mit Tafel. In der 2. Aufl., die A. Bludau versorgt hat, im
11. Teil. Leipzig 1908, S. 58ff. Mit der gleichen Tafel wie i. d. 1. Aufl.