Die farbige Schichtlinie und die Pseudokörperlichkeit der Schichtlinie.
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besondere bei der Artillerie. Dessenungeachtet muß man daran festhalten, daß sie
nur ein magerer Notbehelf waren. Weder konnten die Karten das Hochbild er
setzen, noch waren sie als hervorragende Schichtlinienkarten anzusprechen, die einzelnen
Geländestufen und Massenerhebungen platzten zu abgehackt aus dem Gesamtbild heraus.
365. Die beleuchtete Schichtlinie (nach Konstruktion). Paulinys Manier. Was
das photographierte Stufenrelief bot, konnte man in fast ähnlicher Weise von vorn
herein manuell nachahmen, und zwar — ohne ein wirkliches Relief zur Seite zu haben —
auf der reinen Schichtlinienkarte. Man brauchte sich bloß die Schichtlinien in
ihrer Lage schräg beleuchtet zu denken und sie auf der belichteten Seite heller und auf
der beschatteten dunkler zu zeichnen, wie es C. A. Eckstein wohl als ein erster vor
mehr als einem Menschenalter ausgeführt, aber nicht weiter praktisch verwertet
hatte. 1 Sodann hören wir von demVersuch von E. Guillemin, der auf einer Schichten
karte mit „hypsometrischen Farben“ die Isohypsen an der belichteten Seite weiß
ausgespart und auf der beschatteten schwarz ausgezogen hat. 1 2 Als kartographische
Neuentdeckung und modern frisiert erscheint die gleiche Methode 1898 in Wien auf
J. J. Paulinys Karte vom Schneeberg, Raxalpe und Semmering, 1:37500, nach
dem die nötigen Erklärungen dazu bereits in einer drei Jahre ältern Abhandlung
gegeben worden waren. 3
Wie ich bei der Erörterung der Wiechelschen Theorie hervorhob, muß man bei
der Geländedarstellung in schräger Beleuchtung dreierlei auseinanderhalten, die
Böschung, den Lichteinfall und die Geländeänderung quer zur Böschung, also den
Verlauf der Schichtlinie. Was Wiechel mit Hilfe der Beleuchtungsformeln von Bur-
mester unter schwierigsten Verhältnissen gelingt, glaubt Pauliny im Handumdrehen
gefunden, bzw. entdeckt zu haben; denn daß sich andere vor ihm mit dem gleichen
Problem und ähnlichen Kartendarstellungen beschäftigt haben, hat er merkwürdiger
weise vollständig übersehen. 4
Für Paulinys Manier ist Voraussetzung ein toniger Untergrund, wie ihn bei
spielsweise schon C. Kopeke gewählt hatte. Für Karten im Maßstab von weniger
als 1 : 50000 wird ein graues, eintöniges Rasterzeichenpapier gefordert und für solche
von mehr als 1:50000 ein glattes, eintöniges, graues Zeichenpapier. Er empfindet
es geradezu als eine Wohltat 5 , daß das blendende Weiß der üblichen Kartenbilder,
das auf das Sehen ermüdend wirkt, einen praktischen Ersatz in dem milden Silbergrau
findet. Das ist Geschmackssache; ich für mein Teil ziehe mir die Karten auf weißem
Untergrund denen auf farbigem vor. 6
1 Die Proben sollen nach H. Zondervan, der sie eingesehen hatte, wie es in seiner Allgemeinen
Kartenkunde, Leipzig 1901, S. 140, Anni.2, heißt, von überraschender Wirkung gewesen sein. Eckstein
war Direktor des topographischen Bureaus in Haag.
2 Vgl. E. Hammer i. G. J. XIV, Gotha 1894, S. 78.
3 J. J. Pauliny: Mémoire üb. eine Situationspläne- und Landkartendarstellungsmethode.
Streffleurs österreichische militärische Z. Wien 1895, S. 66—87.
4 Seine Entdeckerfreude hat ihn auch den Griffel zu breit führen lassen, denn die ganze Ma
terie hätte in dem Zehntel des Umfanges der Abhandlung bequem Platz gefunden.
5 J. J. Pauliny, a. a. O , S. 70.
6 Nach Paulinys Loblied des grauen Untergrundes wäre zu empfehlen, erst einmal sämtliche
Bücher auf silbergrauem Papier zu drucken, weil gerade bei den jetzigen Büchern „das Weiß aus un
zähligen Lücken und verschiedenartigen Zwischenräumen grell hervorleuchtet“. Dann würden sicher
lich die Bücher wesentlich besser zu lesen sein ! ?