Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die farbige Schichtlinie und die Pseudokörperüchkeit der Schichtlinie. (317 
wird die plastische Wirkung außerordentlich gestärkt. Wenn nun Pauliny die Klar 
heit und Ruhe in seinen Kartenbildern betont, so mag dies allenfalls für die vierfarbige 
Karte gelten, nicht aber für die achtfarbige, denn gerade der ständige Wechsel in 
der Färbung der Signaturen für ein und denselben Gegenstand hat ein unruhiges 
Aussehen des Kartenbildes zur Folge. Und wenn Pauliny glaubt, daß durch seine 
Methode ein bis in die kleinsten Details naturgetreues plastisches Bild der Erdober 
fläche gewonnen und durch die strenge Beobachtung der Regeln eine erwünschte 
Gleichheit und Richtigkeit der Kartenblätter erlangt wird, was größtenteils bei den 
bisherigen Kartenwerken zu wünschen übrig läßt 1 , irrt er und verwechselt Ursache 
mit Wirkung, denn die von ihm beanspruchten Vorzüge seiner Karten liegen nicht 
in seiner Methode, sondern im Wesen jeder Schichtlinienkarte. In seiner Entdecker 
freude fand er nicht das richtige Maß der Einschätzung des Wertes seiner Methode, 
wie auch folgende Worte bezeugen: ,,Die Höhe dieser Linie (Isohypse) aus dem flachen 
Papier heraustretend zu zeichnen, das ist also das Ziel und der Hauptzweck dieser 
Theorie; jedoch soll dies nur geschehen auf dem Weg mathematischer Genauigkeit 
und unter Ausschluß jeder, noch so sehr durch ihre Schönheit bestehenden zwang 
losen Malerei, welche schließlich des gänzlichen Mangels der Perspektive auf einem 
Plane oder einer Karte absolut wertlos sein müßte. Der graue Mittelton wirkt auf 
die Zeichnung mildernd; aus ihm heraus entwickelt sich nach der Doppelskala das 
plastische Terrainbild, mächtig und massig, klar und deutlich, trotz der kleinsten 
Details in demselben.“ 1 2 Das alles sind lediglich schöne Worte, die mehr versprachen 
als sie hielten. 
Wie ein Meteor leuchtend ging seinerzeit die Methode Paulinys am kartographischen 
Himmel auf, um so schnell wie möglich auch wieder zu versinken. Bei ihrem Auf 
leuchten von Urteilslosen bewundert und mit Beifall beklatscht 3 , von denVerständigen 
und Sachkennern aber, wie von H. Habenicht, K. Peucker, E. Hammer 4 , abgelehnt, 
ist sie wie kaum eine andere Geländedarstellungsmethode auffällig schnell der Historie 
überwiesen worden. Daß mit ihr tatsächlich nicht viel anzufangen ist, beweist am 
glänzendsten, daß sich niemand durch sie zur Nachahmung angereizt fühlte. Selbst 
Pauliny ist über seine Raxalpenkarte nicht hinausgekommen. Die Methode hat ver 
sagt, was meines Erachtens nach ebensosehr an ihrem verfehlten mathematischen 
Aufbau liegt wie an der Verkennung des Wesens der Isohypse, die eben nur ein Linien 
element ist, dem man nichts Flächenhaftes andichten soll. 
1 J. J. Pauliny, a. a. 0., S. 81. — Man vgl. damit z. B. die um jene Zeit aueh entstandene 
ausgezeichnete Karte des Semmering, 1:25000, bearb. von G. Frey tag in Wien. Diese Karte schätze 
ich bei weitem höher als die von Pauliny. 
2 J. J. Pauliny, a. a. 0., S. 82. 
3 So schreibt beispielsweise A. E. Seibert in der „Methodik des Unterrichts in der Geographie“, 
Wien 1899, S. 18, Anm.: „Der Kartograph J. J. Pauliny in Wien hat in jüngster Zeit Spezialkarten 
nach einer ganz neuen, von ihm erfundenen Art der Schichtenzeichnung herausgegeben, welche ein 
außerordentlich plastisches Bild darbieten. Sollte es gelingen, diese neue Methode auch für 
die kleinen Maßstäbe für die Schulkarten zu verwenden, so würde damit die Schwierigkeit des Karten 
lesens mit einem Schlage verschwinden.“ — 0 sancta simplicitas! 
4 E. Hammers ausführlichere Besprechung über Paulinys Methode in P. M. 1896. LB. 25, S. 7.
	        
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