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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
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schiedenen Erhebungen der Erdrinde nach Meter, Dekameter und Hektometer zu
rubrizieren, heißt drei Höhenbezeichnungssysteme einführen, die stets zu Unklar
heiten und Verwechslungen geführt hätten; es lassen sich leichter drei Höhenzahlen
nach einem System als drei nach drei Systemen merken und auseinanderhalten.
Immerhin schimmert durch die Humboldtschen Ausführungen der Gedanke durch,
die Geländeformen nach ihrer Höhe zusammenzufassen und zu charakterisieren. Er
wollte gewissermaßen durch die Zahl ersetzen, was späterhin den Regionalfarben
besser gelang. Darum erschien es mir auch notwendig, Humboldts Verdienst bei der
Untersuchung der wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung nicht zu
übergehen. ,
Anklänge an die Regionalfarben finden wir schon vor E. v. Sydow; indessen
sind sie erst durch sein Wirken zu einem unveräußerlichen Bestandteil der Schul -
karten geworden. Bei 200 m etwa werden die Tieflandformen zusammengefaßt, bis
500 m die Hügelländer, bis 2000 m die Hochgebirgsformen. Von andern werden
die charakteristischen Formen der Massenerhebungen etwas anders zusammengefaßt;
im großen ganzen jedoch entfernen sie sich nicht wesentlich von den hier ziffermäßig
angegebenen Grenzen. Grün wurde dem Tiefland gegeben, Braun den Gebirgsformen;
in dieser Farben wähl der einzelnen Regionen begegnet uns ein logisches, natürliches
Prinzip, weshalb die Regionalfarben auch großen Anklang und allgemeine Verbreitung
fanden. Hauptsächlich haben sie mit mehr oder minder geringer Abänderung das
schulkartographische Feld erobert. Vor E. v. Sydow dienten die Atlanten, insbesondere
die Schulatlanten lediglich der politischen Geographie. Mit dem Sydowschen Schul
atlas wurden mit einem Male die natürlichen geographischen Grundlagen in den
Vordergrund gestellt, allerdings schon vor E. v. Sydow durch C. Ritter angeregt.
Es ist ja erklärlich, daß derjenige Atlas, der in einer so wesentlichen oder geradezu
in der wesentlichsten Hinsicht zuerst den richtigsten Weg einschlägt, sich diesem
großen Verdienst entsprechend in der Gunst des geographischen Publikums fest
setzt, und daß andere spätere Atlanten ihm auf längere Zeit hin nur schwer Konkurrenz
bereiten konnten, selbst wenn sie in diesem oder jenem Punkt besser waren.
Die Regionalfarben noch weiter zu vertiefen und mit ihnen ein bio- und kultur
geographisches Moment verknüpft zu haben, ist in der Hauptsache nur zwei Autoren
gelungen, C. Kolistka und V. v. Streffleur. Die Arbeiten beider haben wir bereits
zur Genüge kennen gelernt. Die berühmte Karte der Tatra von Koiistka habe ich
dort, wo es galt, künftige kartenwissenschaftliche Richtlinien festzustellen, eingehender
gewüirdigt (S. 101), und Streffleurs vorzüglicher „Karten von Niederösterreich“ habe
ich bei der geschichtlichen Entwicklung der Höhenschichtkarten in gebührender
Weise gedacht. Daß selbst auch staatliche Höhenschichtkarten bei der Zusammen
fassung von Stufen durch einheitliche Farben Kulturzonen im Auge hatten, habe ich
bei der österreichisch-ungarischen hypsometrischen Karte in 1 :750000 und der
italienischen in 1 : 500000 nachgewiesen. Nach diesen erfreulichen Ansätzen von
Koiistka, Streffleur u. a. ist man um so erstaunter, daß sie keine Nachfolger ge
funden haben, zumal die Höhen des Reliefs der Erde an klimatisch-, kultur- und bio
geographischer Bedeutung gegenüber den nordsüdlichen Verbreitungsgrenzen kul
tureller Erscheinungen mit einem „mehrtausendfachen Gewicht“ in die Wagschale
fallen. 1 Vielleicht hatte man um die Wende des Jahrhunderts wichtigere karto
1 K. Peucker: Die kartographische Darstellung der dritten Dimension. G. Z. 1901, S. 25.