42
Die Kartographie als Wissenschaft.
Werkes beteiligt, für die, damit das ganze nicht ein Flickwerk wird, ein großzügig
angelegter und doch fein durchdachter Arbeitsplan vorgeschrieben ist. 1
15. Wandkarte und Atlas. Die Geschichte des Atlas beginnt mit der Wende
des Mittelalters zur Neuzeit. Fast um die gleiche Zeit setzt auch die der Wandkarte
ein. Während die Kartographie bis dahin in der Hauptsache maritim war, fängt sie
mit der Wiedererweckung des Ptolemäus an kontinental zu werden.
Die Auferstehung des Ptolemäus im Zusammentreffen mit der Auffindung
der Seewege nach Indien und Amerika und mit der Erfindung des Buch- und Platten
druckes waren die mächtigen Impulse, die die Geographie und Kartographie aus ihrem
mittelalterlichen totähnlichen Schlafe aufrüttelten und ein Interesse an geographischen
Entdeckungen, Beschreibungen und Kartenerzeugnissen weckten, das uns heute noch
in Erstaunen versetzt. In hohen Auflagen wurden Karten und Atlanten gedruckt
und verbreitet 1 2 ; es war, als ob sich die Welt nicht satt sehen, lesen und unterrichten
gekonnt hätte.
Die Form der kartographischen Veröffentlichung in Sammlungen, in Atlanten
überwog in der Zeit der großen Entdeckungen die Herausgabe von Einzelkarten, so
daß S. Münster 1528 direkt zur Herstellung von Einzelkarten aufforderte. Aber
erst in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts werden sie häufiger, vorwiegend der
Etzlaubsche Verkehrskartentypus und die Wandkarte, wie wir sie heute noch kennen
und gebrauchen.
Die Geschichte der Wandkarte ist bis jetzt ganz stiefmütterlich behandelt
worden. Größtenteils hängt das damit zusammen, daß Wandkarten aus den frühem
Jahrhunderten zu den größten Seltenheiten gehören. Sie sind noch leichter der
Vernichtung anheimgefallen als die einzelnen Handkarten, die sich gut in einzelnen
Folianten aufbewahren ließen. Zum ersten Male treten die Wandkarten im 16. Jahr
hundert auf, gelangen gegen Mitte des folgenden Jahrhunderts zu einer gewissen Blüte,
treten darauf dann wieder weniger in Erscheinung, um erst wieder gegen Mitte des
19. Jahrhunderts zu neuem kraftvollem Leben zu erstehen.
Die großen Weltkarten von Waldseemüller, Mercator sind nicht direkt
als „Wandkarten“ in dem heutigen Sinne anzusprechen. Aber die Art und Weise
der Darstellung, die ganze Auffassung des Inhaltes und die Größe des Maßstabes
lassen sie ohne weiteres als Wandkarten bezeichnen. Im 17. Jahrhundert knüpft sich
die Herausgabe von Wandkarten an zwei Namen, an Willem Janszoon Blaeu
und Frederick de Wit. Die Wandkartenzentrale war Amsterdam; die Wandkarten
selbst entstammen dem Zeitraum von 1620—1670. Von Fr. de Wit, der sowohl als
Kartograph wie als Drucker und Herausgeber auftritt, besitzen wir Wandkarten von
Europa, Asien, Afrika 3 und eine vorzügliche von der gesamten Erde. Letztere Karte
1 II „Grande Atlante Internationale del Touring Club Italiano“. Nota per 1’ VIII Congresso
Geographico Italiano. Firenze 1921, S. 18—32. (Mit Kartenbeilage).
2 Wissen wir doch, daß die 235x 120 cm große Weltkarte Waldseemüllers von 1507
in 1000 Exemplaren gedruckt worden ist. — Innerhalb eines Vierteljahrhunderts erschienen nicht
weniger als 25 Ptolomäusausgaben. — S. Münsters Kosmographie, deren erste nicht voll
ständige Ausgabe 1544 erschien, erlebte bis 1650 46 Auflagen.
3 Fr. de Wit: Nova et accurata totius Europae tabula. Amsterdam 1662. — Nova et accurata
totius Asiae tabula. Amsterdam ca. 1660. — Nova et accurata totius Africae tabula. Amsterdam
ca. 1660. — Sämtliche drei Wandkarten haben je eine Größe von 120 x152 cm. — Über die drei
Karten verfügte 1919 noch der bekannte Buchhändler und Antiquar K. W. Hiersemann in Leipzig.