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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung.
Die Sättigungsreihe wird aus jeder reinen Einzelfarbe entwickelt. Diese
wird entsättigt, indem man ihr so lange farbloses Weiß zusetzt, bis sie entfärbt ist.
Satt ist der Farbeton, wenn er in seiner Eigenart nicht mehr gesteigert werden kann,
wenn z. B. Bot nicht röter gemalt oder gedacht werden kann, Grün nicht grüner, Gelb
nicht gelber usw. Die Abstufung durch farbloses Weiß mit zunehmendem Quantum
ist die Abstufung vom Satten, Farbkräftigen zum Matten, Farbschwachen und zuletzt
zum Farblosen. Es ist die gleiche Erscheinung, die wir in der Landschaft wahr
nehmen. In der Nähe erscheint uns alles in saftigen, satten Farben (sofern sie zu
den einzelnen Objekten gehören), die jedoch mit der Entfernung ihre Leuchtkraft
einbüßen, da die Luftschichten dicker und dicker werden und sich ein mit der Ferne
verdichtender, bläulich-weißer Schleier zwischen Auge und Objekt einschiebt. So
werden die Farben der Landschaft für das Auge nach den Gesetzen der Luftperspektive
abgewandelt, d. h. abgestuft. Da wir das Kartenbild von oben gedacht sehen, liegen
die höchsten Geländeteile unserm Auge am nächsten, sind mithin die farbensattesten.
Werden nun die einzelnen Höhenstufen von der Tiefe nach der Höhe zu in stufen
weise steigender Sättigung angelegt, dann wird der Grundsatz befolgt: Je höher
desto farbensatter.
378. Das malerische Höhenbild der Schweizer im Gegensatz zu dem wissenschaft
lich eindeutigen Höhenbild Peuckers. In einigen Karten des In- und Auslandes, ins
besondere auf Schulwandkarten, kann man schwache Anklänge an die Luftperspektive
feststellen, nirgends indessen so klar und bewußt wie auf den Belief karten der Schweiz.
Das Studieren und Probieren geeigneter Darstellungssysteme in Luftperspektive
hat die Schweizer Kartographie jahrzehntelang beschäftigt. H. Siegfried be
zeichnet 1879 als wünschenswert, daß Methoden gefunden und bezeichnet werden
könnten, um an der Hand fester Begeln reliefartige Höhenschichtenkarten her
zustellen. 1 Durch rastlose Tätigkeit auf diesem kartographischen Gebiete kommt
F. Becker diesem Wunsche bereits nahe. Er gibt ähnlichen Gedanken Ausdruck,
wie wir sie später bei Peucker wissenschaftlich vertiefter vorfinden. Beherrscht
werden Beckers Darlegungen durch die Annahme der schrägen Beleuchtung. Wir
hören zunächst von einem Totalton, der von unten nach oben abgestuft werden
muß, und von einem Schattenton mit umgekehrter Stärkeskala. Durch die ver
schiedene Tönung erreicht man den Eindruck, daß die Gebirge sich aus einem wirklich
sichtbaren Boden erheben und in den höchsten Partien die stärksten Kontraste
zwischen Licht und Schatten entstehen. Dadurch erwecken diese den Eindruck
der größten Nähe gegenüber einem über den Bergen befindlichen Beschauer. ,,Je
näher wir uns einem einseitig beleuchteten Körper befinden, desto schärfer beob
achten wir die Trennung von Licht und Schatten, desto genauer erkennen wir wegen
dieser Trennung die einzelnen Details; je weiter wir uns dagegen von dem Objekt
entfernen, desto mehr verschwinden uns die Details und erkennen wir nur noch die
Gesamtformen. Umgekehrt, je schärfer wir in einem Bilde wegen grellen Beleuchtungs
kontrasten die Details erkennen, desto näher erscheint uns der dargestellte Gegen
stand; in dem Maße, wie die Details verschwinden und gegen die großen Formen
zurücktreten, tritt auch der Gegenstand zurück. Wir müssen daher in der Berg-
1 H. Siegfried: Geogr. und cosmographische Karten und Apparate. Bericht. Intern. Welt-
ausstellg. 1878 i. Paris. Zürich 1879, S. 19.