Full text: Die Kartenwissenschaft (1)

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Die wissenschaftlichen Grundlagen der Geländedarstellung. 
Farben zu sprechen, aber nicht in meinem Sinne. 1 In ,,kalt“ und ,,warm“ erblickt 
Peucker „rein ästhetische Bezeichnungen, die mit der Plastik als solcher absolut nichts 
zu schaffen haben“. 1 2 Dem kann man entgegenhalten, daß sich in dem Gegensatz 
neben dem ästhetischen ein nicht zu unterschätzendes psychologisches Moment offen 
bart, dessen indirekter Beitrag zur Farbenplastik nicht ganz von der Hand zu weisen 
ist. Auf den physiologisch begründeten Gegensatz von kalten und warmen Farben 
ist Peucker nicht eingegangen. Vielleicht fand er darin kein mathematisches Kalkül 
für seine Höhenplastik. Beim Grün kann man geteilter Meinung sein. In der Spektral 
reihe steht es zwischen Blau und Gelb, und in der Praxis ergibt es sich als Misch 
farbe der beiden Nachbarfarben. Je nachdem eine von den Nachbarinnen vorherrscht, 
neigt das Grün mehr zur kalten oder zur warmen Farbenreihe. Ein stark ins Gelb 
schlagendes Grün wird mit der Sättigung tatsächlich heller und intensiver, was man 
von einem mit Blau gesättigten Grün nicht behaupten kann, das durchaus dunkel wirkt. 
Durch die Sättigung der kalten Farben entsteht ein scheinbarer Widerstreit 
zwischen der Helligkeits- und Sättigungsreihe. Denken wir an Preußischblau. Dadurch, 
daß es gesättigt wird, entwickelt es sich nach dem zweiten Grundsatz, weil es jedoch 
dunkler wird, fällt es nach dem ersten. Mithin ist das Bild nicht mehr eindeutig und 
ein Widerstreit der optischen Eindrücke liegt vor. Jetzt wird uns erklärlich, warum 
sich in der Kartographie die beiden Prinzipien „Je höher desto dunkler“ und „Je 
höher desto heller“ gegenüberstehen. Beide sind eben zugleich richtig und falsch, 
was auch Peucker hervorhebt. 
Die exakte Kartographie muß aber von vornherein jeden Widerstreit der Ein 
drücke auszuschalten trachten. Der hypsographische Farbenwert darf nie schwankend, 
muß entweder positiv oder negativ sein. Wenn man die warmen Farben positiv und 
die kalten negativ bezeichnet, hat man einen Schlüssel zur Farbenwahl. Peucker 
lehnt sich beim Ausscheiden des Blau an die Naturfarben an und betont, was auch 
logischerseits nicht zu beanstanden ist, daß das Blau die Naturfarbe des Wassers 
sei. Wird das Blau des Wassers bis zum tiefsten Dunkel gesättigt, gerät das Augen 
maß in der höhenplastischen Deutung durchaus nicht ins Schwanken, „weil der 
Eindruck einer in die Tiefe gehenden Verdunklung über den einer emporsteigenden 
Sättigung ein entschiedenes Übergewicht erhält durch die Wiedergabe eines lebendigen 
Natureindrucks“. Schon die Naturbeobachtung am Meeresstrand lehrt, daß mit 
der Tiefe des Wassers das Dunkle der Wasserfläche gewinnt. Das Blau auf der Karte 
wird demnach ganz in dem Sinne angewandt: Je tiefer desto dunkler und 
satter, womit die exakte Maßanschaulichkeit der Tiefenverhältnisse eines Sees oder 
Ozeans gesichert ist. Daß trotz einwandfreier Naturbeobachtung sich gegenteilige 
Meinungen Geltung zu schaffen suchen, ist in der Wissenschaft wie Kartographie 
nichts Neues. So machte bei der farbigen (blauen) Wiedergabe der Tiefenverhältnisse 
der Meere und Seen A. Scobel bei der Herausgabe der vierten Auflage von Andrees 
Handatlas (1898) das Prinzip geltend: Je tiefer desto heller. Es sollte mit dem 
dunkeln Kolorit der Schelffläche das Relief des Landes gehoben werden. Später 
ist man auf Andrees Atlaskarten wieder zum naturgemäßen und logischen Kolorit 
zurückgekehrt. 
1 H. Habenicht in P. M. 1901. LB. 607; s. auch G. J. XXVI. 1903/04, S. 397. 
2 K. Peucker: Drei Thesen zum Ausbau der theoretischen Kartographie. G. Z. 1902, S. 214, 
Anm. 1.
	        
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