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Die Kartographie als Wissenschaft.
in Preußen, 0. Delitsch in Sachsen, A. Steinhäuser in Österreich, J. M. Ziegler
in der Schweiz gaben den neuen Ideen die wünschenswerte Stoßkraft. Hervorragende
Schulmänner, hauptsächlich solche der Volksschule, gewannen großen Einfluß auf
die neuzeitliche Schulwandkarte. Kleine und große private Karteninstitute des In-
und Auslandes wurden Hersteller und Verleger der neuen Kartenart. Nur selten hat
der Staat, wie z. B. die Schweiz, in die Entwicklung der Schulwandkarte eingegriffen.
Unter den neuern Schulwandkartenautoren finden wir wohlklingende Namen, wie
Diercke, Haack, Friederichsen, Gäbler, Harms, Kuhnert, Edw. Stanford
u. v. a. m.
Am Anfang der Geschichte des Atlas stehen die einzelnen Ptolemäus-
ausgaben 1 ; sie bilden den Prototyp unserer modernen Atlanten. Die Straßburger
Pt olemäusausgabe vom Jahre 1518, die außer dem Text und den Ptolemäuskarten
noch in einem zweiten Teile „Glaudii Ptokmei Supplementum“ zwanzig moderne
Karten (darunter die Karte von Deutschland nach Etzlaubs Beisekarten von 1501)
von Martin Waldseemüller bringt, ist wohl mit Nordenskiöld als der erste
moderne Atlas anzusehen. Durch Pli. Clüvers Einfluß verschwinden am Anfang
des 17. Jahrhunderts die Ptolemäusausgaben mehr und mehr. Sie hatten sich in der
Tat überlebt. In seiner Abhandlung über Clüver kommt J. Partsch zu demselben
Ergebnis wie Lelewel, daß der Einfluß, den der ägyptische Geograph im 16. Jahr
hundert auf die Gestaltung der Länderräume, insbesondere auf Europa gehabt habe,
einen Rückschritt bedeute. So schroff möchte ich diese Bedeutung des Ptolemäus
nicht abweisen und in ihr nur mehr eine wissenschaftlich notwendige Staffel in der
Entwicklungsgeschichte erblicken. Denn man muß sich doch ins Gedächtnis zurück
rufen, daß durch die Ptolemäische Doktrin auch enger begrenzte Länderräume auf
Grund von Distanz- und Positionsbestimmungen in größerm Maßstabe fixiert wurden,
wie Lothringen, die Schweiz, die Oberrheinische Ebene in der Straßburger Ptolemäus-
ausgabe von 1513 bezeugen, welche Karten als die frühesten, wenn auch rohen und
unbeholfenen Belege für die erwachenden Landesaufnahmen gelten. 1 2
Die erste Sammlung neuerer Länder- und Erdbilder schuf Abraham Ortelius
1570 mit dem ,,Theatrum orbis terrarum“. Der Sohn Mercators, Rumold, gab
ein Jahr nach dem Tode seines großen Vaters den Folioband heraus: Atlas sive
cosmographicae ineditationes de fabrica mundi et fabricati figura Gerardo Mer-
catore Rupelmundano etc. Duisburgi Clivorum 1595; gedruckt von Albertus
Busius in Düsseldorf 1595. Mit dem Erscheinen dieses Werkes wird der schon von
Mercator bei Lebzeiten — wie aus dem dem Atlas gewidmeten Vorwort hervorgeht —
gewählte Ausdruck ,,Atlas“ für Kartensammlungen gebräuchlich. Beiläufig bemerkt
ist der Atlas von Anton Lafreri aus den Jahren 1556—1572 die älteste Karten
sammlung, die den globustragenden „Atlas“ zeigt. Daneben werden noch allerhand
andere Bezeichnungen für größere Kartensammlungen angewandt. So erscheinen
1 Justin Winsor: A bibliography of Ptolemy’s Geography (1462 — 1867). Library of Har
vard University. Bibliographical Contributions. Nr. 18. Republished from the bulletin of Harvard
University, Cambridge Mass. 1884, 42 S. — Nordenskiöld: Facs.-Atlas, S. 9—29. — W. Wolken
hauer: Aus der Geschichte der Kartographie. Deutsch. Geogr. Blätter XXVII. Bremen 1904. —
Th. Schöne: Die Gradnetze des Ptolemäus im 1. Buche seiner Geographie. Gymnasialprogramm.
Chemnitz 1909. — Wolterdorfs Repertorium der Land- und Seekarten, Wien 1813 (zuerst 1810
erschienen), bringt übrigens eine ausführliche Aufzählung der Kartenausgaben des Ptolemäus.
2 Vgl. auch Anm. 2 S. 31.