Die Bedeutung der Karte.
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gelernt werden. Nicht allein, daß man die Karte zn lesen versteht und die topographischen
Zeichen richtig zu deuten weiß, man muß auch topographisch denken können. Dazu
gehört viel Zeit und viel Übung.
Wer das kartographische Alphabet versteht, wird sich schneller über ein Land
orientieren und in das Wesen geographischer Dinge hineinschauen als mit Hilfe eines
dickleibigen Textbandes. Im Hinblick auf diese Bedeutung wurden H. Zondervan,
W. Stavenhagen 1 u. a. zu der nicht ganz einwandfreien Ansicht geführt, daß gute
Karten noch wichtiger als gute geographische Bücher seien. Beide sind gleichwertig.
Man würde die Grundlage der geographischen Wissenschaft verschieben, wenn man ein
,,Praestare“ der Karte dem Lehrbuch gegenüber zur Geltung bringen wollte. Übrigens
hält der Wissenschaftler die Karte auch gar nicht für so prätentiös.
Zunächst wollen wir ganz allgemein ausdrücken: Karte und Buch ergänzen
einander. Die Ergänzung kann ganz locker sein, wie sie etwa zwischen Lehrbuch und
Atlas besteht oder sie nimmt strengere Formen an und beschäftigt sich lediglich mit
der Erklärung des Karteninhalts. Man kann diese Erklärungen als einen gewissen
Ersatz der alten Kartenkommentare auffassen. Indessen dürfen jene nicht mit diesen
verwechselt werden. Jene wollten in der Hauptsache das Quellenmaterial des Karten
aufbaues klarlegen, diese werten die Karte für bestimmte geographische und andere
Zwecke aus. Sie sind mehr Neuerscheinungen in der kartentheoretischen Literatur,
die gegenwärtig insonderheit die Erklärung des Karteninhalts der offiziellen Karten
für Unterricht und sonstige Belehrung als ihre Hauptaufgabe betrachten. 1 2 In das Stu
dium und den Gebrauch der topographischen Karte 1: 25 000 (Meßtischblätter) führen
die kleinen und hübschen Arbeiten von M. Walter ein. 3 Mit besonderer Liebe und
Sorgfalt nimmt sich W. B ehr mann die Karte des Deutschen Reichs vor und wählt
für Unterrichtszwecke eine Anzahl Blätter aus und erklärt sie 4 , wobei auf neuere
morphologische Betrachtungsweisen der Landschaft Gewicht gelegt, aber auch siedelungs-
und verkehrsgeographische Fragen gestreift werden. In diese Beihe von Kartenerklä
rungen gehören eigentlich auch die ausgezeichneten morphologischen Deduktionen,
die S. Passarge an die Betrachtung von Baedekerkarten anschließt. 5 Schließlich sei
auf A. Egerers Kartenkunde hingewiesen 6 , die im Grunde genommen nichts anderes
ist wie eine großangelegte Erklärung der offiziellen Kartenwerke. Von außerdeutschen
Publikationen dieser Art ist besonders The interpretation of topographic maps von
Rollin D. Salisbury and Wallace W. Atwood hervorzuheben. 7
1 So sagt z. B. W. Stavenhagen auf S. XV in P. M. Ergh. 148. 1904: „(Die Karte) steht
dem geographischen Lehrbuch an Wichtigkeit voran.“
2 Eine Vorgängerin ist J. E. Bodes Beschreibung einer auf den Horizont von Berlin ent
worfenen neuen Weltkarte. Berlin u. Stettin 1783.
3 M. Walter: Die Meßtischblätter und die topographische Karte 1:25000. I. Inhalt und
Herstellung der Meßtischblätter und der topographischen Karte 1:25000. — II. Winke zur all
gemeinen Benutzung der topographischen Karte 1: 25000 (Meßtischblätter). — III. Die topographische
Karte 1 : 25000 (Meßtischblätter) als Grundlage heimatkundlicher Studien. — Sämtliche drei Hefte
sind bei J. Perthes in Gotha erschienen.
4 W. Behrmann: 40 Blätter der Karte des Deutschen Reichs 1: 100000. Berlin 1912.
5 S. Passarge: Die Grundlagen der Landschaftskunde. I. Hamburg 1919. Anhang. An
leitung zum Kartenlesen. S. 171—204.
6 A. Egerer: Kartenkunde. I. Einf. i. d. Kartenverständnis. Leipzig u. Berlin 1920. — Abbild.,
Blattbegrenz., Gradnetz u. Höhennullpunkte der amtl. top. Kartenwerke Deutschlands. P. M. 1921.
7 Das Buch ist 1908 in Washington erschienen, es will Schüler und Laien in das Lesen der
topographischen Karten Nordamerikas einführen.