Full text: Die Kartenwissenschaft (1. Band)

Die Bedeutung der Karte. 
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Die Orientierung auf der Erdoberfläche hat zu dem sichtbaren Ausdruck der 
Karte geführt. Je mehr die Beobachtungen durch Orientierung sich häuften, um so 
detailierter und besser wurde die Karte. Die höchste Form der Orientierung kommt 
gleichsam in der Geodäsie zum Ausdruck. Auf jeden Fortschritt dieser Wissenschaft 
reagiert die Kartographie mit entsprechender Darstellung. 
Vorzugsweise waren es die Beisen und Entdeckungen, die auf eine Zusammen 
fassung des Gesehenen in ein Bild drängten. 1 Darum fängt A. Petermann seinen 
bemerkenswerten Aufsatz über den kartographischen Standpunkt der Erde mit den 
Worten an: „Das Endresultat und der Endzweck aller geographischen Forschungen, 
Entdeckungen und Aufnahmen ist, in erster Linie, die Abbildung der Erdoberfläche, 
die Karte“ 1 2 , und E. v. Sydow seine berühmte geo-kartographische Betrachtung Drei 
Kartenklippen mit den Worten: „Schon die ältesten Beisenden waren bemüht, die 
Anordnung der verschiedenen Terraingegenstände in den durchwanderten Landschaften 
bildlich zu versinnlichen, und bereits die ältesten Geographen fühlten das Bedürfnis, 
ihre Beschreibungen durch orientierende bildliche Darstellungen zu ergänzen“. 3 Bereits 
die erste Erdkarte, die nach Eratosthenes von Anaximander von Milet entworfen 
wurde, führte zurück auf den Anreiz, die insbesondere durch die Handelsverbindungen 
kennen gelernten Länder darzustellen. 4 Daß die Börner bei ihrem ausgedehnten Beiche 
die Notwendigkeit von Karten empfunden und Karten auch besessen haben, bezeugen 
die alten Schriftsteller, wie Plinius, Varro, Agrippa, Strabo u. a. Besonders die 
große Weltka rte des Augustus, die sich offenbar auf genaue Straßen- und Stationen 
vermessung aufbaute, hatte bedeutenden Einfluß auf die Geographie und karto 
graphische Nachahmungen jener Zeiten gehabt. 5 * Wie hauptsächlich Kaufleute das 
Kartenbedürfnis zu nähren und zu erweitern verstanden haben, beweisen alte mexi 
kanische Kaufmannskarten, auf denen außer den Gebirgen, W 7 äldern, Städten die Ent 
fernungen der Orte und Straßen und Grenzen angegeben und die Kartenränder mit 
statistischen Notizen bedeckt wurden. 
Die auri sacra fames hat nicht unbedeutend den geographischen Horizont er 
weitert und damit das Kartenbild kondensiert. Die leeren Flecke der alten Karten 
haben den Gang der Entdeckungen beschleunigt, sie reizten immer wieder zu neuen 
1 J. Sporer sagt in seiner ihm eigentümlichen glänzenden Diktion: „Die ozeanischen See 
fahrten haben das Rund der Erde enthüllt. Mit dem Überblick über die Erdoberfläche unsers Planeten 
ward erst die einheitliche Auffassung des Erdlebens, die physikalische und historische Erdkunde, 
eine Erd-, Tier-, Pflanzen- und Menschengeschichte, ein wahres Welt- und Selbstbewußtsein der 
Menschheit ermöglicht.“ Zur historischen Erdkunde in G. J. Bd. IV. 1872, S. 209. 
2 A. Petermann in G. J. I. 1866, S. 581. 
3 E. v. Sydow in G. J. I. 1866, S. 348. Dass, auch in O. Krümmel: Klassiker der Geo 
graphie. I. Kiel 1904, S. 161. 
4 H. Berger: Die Lehre von der Kugelgestalt der Erde im Altertum. Hg. von M. Kießling. 
G. Z. 1906, S. 23: „Aus ihr — der jonischen Naturphilosopliie — ist mit andern Spezialwissenschaften 
auch die Geographie hervorgegangen. Durch die Handelsverbindungen, die von alten Karawanenwegen 
her Kunde über das Innere Asiens brachten, die begierig aufgenommene, ausführliche Nachrichten 
verbreiteten über das Wunderland Ägypten, seinen merkwürdigen Strom und seine Nachbarländer, 
über die Steppen Rußlands, über den jenseitlosen Ozean im Westen und im Norden und seine Zinn- 
und Bernsteininseln, hatte sich ein bedeutendes länderkundliches Material angesammelt, das Ordnung 
verlangte und schnell zur Darstellung, zur Kartographie reizte und führte.“ 
5 K. Müllenhoff: Über die Weltkarte und die Chorographie des Kaisers Augustus. Kiel 
1856. — E. Schweden Weltkarte und Chorographie des Kaisers Augustus. Neue Jahrb. für Philol. 
und Pädagogik. 145. und 146. Bd. 1892, S. 113—132.
	        
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