Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die See- und Meerkarte. 
Die weitere Entwicklung schließt sich in der Hauptsache an die Wiedergabe des Golf 
stroms an. Er ist so recht das Lehr- und Schulbeispiel der kartographischen Dar 
stellung bis zur Gegenwart; wir brauchen nur an die Arbeiten von Aug. Petermann 1 , 
Pillsbury 1 2 und Martha Krug zu denken. Für die gescharten Linien treten neben 
einfachen Linienzügen die Pfeile auf, wohl zum ersten Male auf einer anonymen Karte 
aus dem Jahre 1739. 3 Die Strömungskarte des 18. Jahrhunderts wird wesentlich 
vorgestellt durch die 1770 in London erschienene ,,A chart of the Gulf streams“ von 
Benjamin Franklin. 4 Er zeichnete den Golfstrom als einen selbständigen Strom 
innerhalb des nordatlantischen Meeresraumes, wodurch diese Meeresströmung als 
ein besonderes Phänomen erscheint. Infolge des anschaulichen Bildes und des Aus 
spruchs von Franklin: „Wie ist es möglich, daß diese Kenntnisse nicht längst zum 
Nutzen der Schiffahrt auf Karten niedergelegt sind!“ erhebt M. Krug den nord 
amerikanischen Staatsmann nicht bloß zu „einem Reformator des Golfstrombildes, 
sondern recht eigentlich der ozeanischen Kartographie überhaupt“. 5 Das ist zu viel 
gesagt; man kann nicht reformieren, wenn sozusagen nichts da ist. Franklin war der 
Schöpfer des Golfstromhildes und legte den Grund zu der praktischen Auffassung der 
ozeanographischen Kartographie. Die Karten von Pownall, Williams 6 gaben dem Golf 
strom eine größere Ausdehnung als Franklin, gehen aber über ihn in der kartographischen 
Fixierung kaum hinaus, wie auch die Karten von A. Arrows mi th 7 und von 
W. Heather 8 , die aus dem Jahre 1808 stammen. Zu Williams ist noch zu bemerken, 
daß er als erster die Stromlinien anwandte, alle parallelen und divergierenden Linien, 
wie wir sie heute noch in den Meeresströmungskarten der Hand- und Schulatlanten 
finden. 
Bringen die Karten damaliger Zeiten einige Neuerungen, wie die von Heather, 
der nur mit Strompfeilen und einigen Geschwindigkeitsangaben arbeitet, ferner die 
Karte von David Steel (1804) 9 , die erste deutsche Karte mit dem Golfstrom vom 
Jahre 1804 10 11 , die Planiglobenkarte von Delaméthrie (1808) 11 , worauf die Meeres 
strömungen zum ersten Male genetisch-systematisch veranschaulicht werden, haben 
sie weder die Wissenschaft noch die ozeanographische Kartographie beeinflußt. 
Selbst A. v. Humboldts Versuche auf diesem Gebiete treten nicht so in den Vorder 
grund, wie man erwarten müßte. Seine Carte de l’océan boréal vom Jahre 1812 ist 
1 Aug. Petermann: Der Golfstrom und Standpunkt der thermometrischen Kenntnis des 
Nord-Atlantischen Oceans u. Landgebiets i. J. 1870. P. M. 1870, S. 201—244. 
2 Pillsbury: The Gulf-Stream. Report of the U. S. Coart and Geodetic Survey. Appendix X, 
1892. 
3 A chart of the Bahama islands, with a discription of the Gulf of Florida and the Windward 
Passage. By J. C. London 1739. 
4 Die Karte Franklins ist reproduziert bei J. G. Kohl: Geschichte des Golfstroms u. seiner 
Erforschung. Bremen 1868. Ferner bei Pillsbury: The Gulf-stream. Report of the U. S. coast 
and geodetic survey. Appendix X, 1892. Bei G. Schott: Geogr. d. Atl. Oz. Hamburg 1912, S. 25. 
5 M. Krug, a. a. O., S. 107. 
6 Die Karten von Pownall, Williams sind reproduziert bei Pillsbury, s. Anm. 1. 
7 A. Arrowsmith: Chart of the Atlantic Ocean. 1803. — The London Atlas, s. a. 
8 W. Heather: A new chart of the Atlantic Ocean. 1803. — A new chart of the Atlantic or 
Western Ocean, improved by W. Heather. Jahr unleserlich. (Nach M. Krug zitiert.) 
9 David Steel: A general chart of the Western or Atlantic Ocean. London 1804. 
10 Charte von Nordamerika. Weimar, Verlag des Landes-Industrie-Comptoirs, 1804. 
11 Delamethrie: De Faction des courans ä la surface du globe terrestre. Journal de physique, 
de chimie, etc. LXVIII. Paris 1808.
	        
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