Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Graphische u. geographische Methode der Statistik und ihr kartographischer Niederschlag. 135 
Sympher ist nicht ohne Vorgänger; ähnlich zeichnete z. B. J. Workowsky 
eine Karte für das Wolga-System. 1 Auf ihr läuft längs des Wasserweges St; Petersburg- 
Astrachan ein in Farbe gedruckter Rand parallel, der durch die größere oder geringere 
Breite seiner farbigen Bänder die Frequenz von zehn verschiedenen Warenkategorien 
auf den einzelnen Strecken des Weges andeutet, und außerdem sind in ähnlicher 
Weise noch die Aus- und Einfuhren in den wichtigem Orten an der Wolga usw. 
ausgedrückt. Das ähnliche Prinzip der Konstruktion kehrt bei dem Fracht- und 
Eilgut verkehr oder anders differenzierten Verkehr bestimmter Eisenbahnstrecken 
wieder und scheint mir auf diesem Gebiete bereits früher als bei den Fluß- und See 
verkehrslinien angewandt worden zu sein. 2 Bei der Konstruktion der Bandkarto 
gramme für Eisenbahnlinien hat man vielfach darauf einen Nachdruck gelegt, daß 
die Flächenstücke zwischen den einzelnen Stationen dem Produkt aus Bewegungs 
masse und Entfernung proportional seien. Das Ziel wird indes selten erreicht, höchstens 
bei geraden Strecken, weil bei den Biegungen der Strecke Ungenauigkeiten entstehen, 
die die gewollte mathematische Korrektheit eines solchen Bandes stark beeinträchtigen. 
Kartogramme mit reinen Flächendiagrammen in geographischer Position, 
d. h. Raumlage, sind entweder tatsächlich isolierte Diagramme (s. § £0) oder weiter 
nichts als eine Abart der Punktkartogramme, wie wir sie in erweitertem Sinne bereits 
in den Ortssignaturen kennen gelernt haben, nur daß das Ortszeichen durch daneben 
gesetzte Rechtecke oder Kreise gleichsam in verschiedene, seine Einwohnerzahl be 
treffende Bestandteile aufgelöst wird. 3 Ein Quadratzentimeter oder ein kleinres 
Flächenstück kann z. B. je nach Farbengebung 1000 Ackerbauer, Industrie- und 
Handeltreibende darstellen, 1 / 1 qcm nur 250, 1 / 2 = 500 usw. 4 In gleicher Weise kann 
fernerhin nur eine Art gesellschaftlicher Erscheinungen, wie die Schüler der ver 
schiedenen Schulanstalten, jede Anstalt mit besonderer Farbennuancierung oder 
Schattierung, behandelt werden. Diese kartographischen Darstellungen erleichtern 
nicht bloß die räumliche Vergleichung für eine Art gesellschaftlicher Tatsachen, 
sondern auch die Vergleichung des Auftretens verschiedener sozialer Tatsachen 
an einem Orte, worin G. v. Mayr einen bedeutenden Fortschritt gegenüber der ge 
wöhnlichen Landkarte erblickt. Er geht bei seinen Erwägungen lediglich vom Stand 
punkt der Statistik menschlicher Handlungen und Verhältnisse aus. Ein Vorzug der 
Methode besteht darin, daß sie auf alle Gebiete der organischen wie anorganischen 
W 7 elt, soweit statistische Erhebungen möglich sind und Durchschnittswerte berechnet 
werden können, anwendbar ist. Hier zeigt sich’s evident, daß die ,,Raumlage“ in 
statistischer Beziehung nicht bloß eine administrative ist, wie E. Friedrich meint 5 , 
1 J. Workowsky: Mouvements des marchandises entre St. Pétersbourg et Astrakhan par 
la voie navigable „Volga-Système Marie“. Rédigé d'après les recherches faites en 1867 1871. 
St. Pétersbourg 1872. 
2 Über Beispiele hierzu vgl. in der Schrift von G. Mayr, a. a. O. 
3 Zur Stellung des Geographen zum Kartogramm vgl. auch Fr. Ratzel: Anthropogeographie, 
II. Stuttgart 1891, S. 186. 
4 In das Schematische des Diagramms geht die Darstellung über, wenn das dem Orte bei 
gegebene Diagramm seine Größe nicht ändert, sondern nur durch Farbennuancen irgendeine Menge 
zum Ausdruck bringt. Im Reichspostmuseum zu Berlin befinden sich z. B. zwei statistische Karten 
zum Vergleich der „Dichtigkeit der Telegraphenanstalten im Deutschen Reiche“ für die Jahre 1872 
und 1892. Sie zeigen in verschiedenen rot gefärbten Quadraten die Orte mit 1 — 4, 5 — 10, 11 20 usw. 
bis 150 Telegraphenanstalten. 
5 E. Friedrich: Die Anwendung der kartographischen Darstellungsmittel auf wirtschafts 
geographischen Karten. Leipzig 1901, S. 22.
	        
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