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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
mit der Karte, brachte F. Lange, indem er Karten- bzw. Landumriß und dazu ge
höriges Diagramm auf Blättern mit Millimetereinteilung aufbaute. 1 Das Millimeter-
system wird zum Diagramm in ein bestimmtes, möglichst einfaches Verhältnis ge
bracht, z. B. 1 qmm = 1000 ha. Mit Hilfe des jeweils gewählten Maßstabs ist es
ein Leichtes, den ungefähren Zahlenwert eines Diagramms zu erfassen, ohne daß es
nötig ist, das beigefügte Zahlenmaterial durchzustudieren. Das ist zweifellos ein
großer Vorteil, der sich aber nur da auswirkt, wo die Diagramme in Quadratform
wiedergegeben sind. Erscheinen sie in Kreisform, ist es mit der schnellen Auffassung
vorbei. Da kann auch das Quadratmillimeter nicht helfen. Für die Kreisform ein
entsprechendes Grund- und Vergleichselement geschaffen zu haben, hat F. Lange
versäumt. Deshalb und aus weiter noch darzulegenden Gründen kann ich auch
nicht in das panegyrische Lob einstimmen, das F. Wohltmann dem Langeschen Atlas
spendet und in dessen Geleitwort er sagt 1 2 : ,,Das Verfahren der graphischen Dar
stellung umfangreichen statistischen Materials ist durch den Verfasser zu einem Siege
geführt, wie in keinem Werke zuvor“, und fährt weiterhin fort: „Wenn man den
Atlas zur Hand nimmt und auf ein Kartenblatt des ersten Teils herabschaut, so
kommt man sich wie in einem Fesselballon vor, von dem aus man die Anbau- und
Ernteverhältnisse eines weiten Landes mit einem Blicke bis ins kleinste erfassen
kann. Es ist ein Blick, und man ist sofort über alles aufgeklärt, und zwar so schnell
und sicher, wie es selbst der gewandteste Statistiker durch einen Blick auf eine lange
Zahlenreihe niemals sein kann.“ Der letzte Satz stimmt, nicht der vorhergehende.
Zugunsten Wohltmanns wollen wir annehmen, daß er nie in einem Fesselballon ge
sessen hat. Man erkennt aber daraus, wie der Statistiker schon entzückt und zu
frieden ist, wenn er nur ein bißchen geographische Basis unter die Füße bekommt,
und wenn es noch so matt ist wie bei den Karten von F. Lange 3 ; denn sie sind bloß
Umrißkarten mit politischer Grenze, ohne hydrographische noch orographische noch
irgendwelche kulturgeographische Elemente. Trotzdem wollen wir nicht ungerecht
gegenüber Lange sein. Ihm ist die Geographie doch etwas mehr als bloßes Ornament,
wie vielen andern Statistikern. Die Anschauungskraft der großen Raumlagen hat
er sich dienstbar gemacht. Und schließlich muß man sich den Endzweck, der rein
statistischer Natur ist, vor Augen halten.
Lange spricht von „der Anwendung isolierter Flächendiagramme in geographischer
Position“. 4 Die geographische Position besteht lediglich darin, in die Leerkarte das
Quadrat hineinzusetzen. Das Quadrat rückt beileibe nicht an die Stelle, wo die
größte Produktion, die es darstellt, stattfindet. Es steht eben inmitten des von der
administrativen oder politischen Grenze umrissenen Landstücks der Erde. Über das
tiefere Wo? wie über das Warum? und das Wozu? sehen und hören wir nichts. Nun,
zuletzt kann dem entgegengehalten werden: Das ist Sache des Textes. Aber wenn
die Karte schon einmal verwendet wird, die Diagramme anschaulich zu gruppieren,
dann kann schon mehr aus ihr herausgeholt werden. Diagramm und Kartenbild
stehen bei Lange isoliert nebeneinander. Ihrer Ehe steht aber nichts im Wege, nur
1 F. Lange, s. Anm. 3, S. 130.
2 F. Lange, a. a. O., S. 111.
3 Ohne ein wenig geographische Basis würden manche Statistiken ihres Wertes vollständig
verloren gehen, wie z. B. das Kartogramm Rekrutierungsstatistik Deutschlands von H. Meisner.
Archiv f. Rassen- u. Gesellschafts-Biologie. Leipzig-Berlin 1909, T. 1.
4 F. Lange, a. a. O.. S. IX.