Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode. 
Die Yergleichszahl von 100 Rindern ergibt wohl ein interessantes Bild, aber 
keine substantielle Vorstellung. Die Anschauung kann nur erzielt werden, wenn 
andere Karten einen Vergleich ermöglichen. Dann ist es immer noch am vorteil 
haftesten, bei der altbewährten statistischen Methode zu verbleiben, nach der beispiels 
weise schon 1861 eine anschauliche hippologische Karte gezeichnet wurde. 1 Im großen 
ganzen aber hat der Wirtschaftsgeograph bei der Bearbeitung der Tierdichtekarten 
nicht anders zu verfahren wie bei der Herstellung von Bevölkerungsdichtekarten. 
Hat aber schon die Bearbeitung der Bevölkerungsdichtekarten mit allerhand Schwierig 
keiten, besonders in methodischer Beziehung, zu kämpfen, wie späterhin noch dar 
gelegt werden soll, sind diese sicherlich bei den Tierdichtekarten nicht leichter aus 
dem Wege zu räumen. 
Schließlich bilden Quadrate, Sechsecke und andere geometrische Figuren, die 
bestimmte Flächenteile umfassen, ein Surrogat für die geographische Vergleichsbasis. 
Indes führen sie uns von der allgemeinen statistischen und geographischen Methode 
hinweg zu der sogenannten mathematischen, woselbst sie auch eingehender erörtert 
werden (§ 69, 70). 
III. Mittel- und Dichtewerte. 
56. Mißbrauch der statistischen Zahl. Das bekannte englische statistische Werk 
„The stateman’s yearbook“ geht alljährlich mit dem Motto von Goethe in alle Welt 
hinaus: „Man sagt oft: Zahlen regieren die Welt. Das aber ist gewiß, Zahlen zeigen, 
wie sie regiert wird.“ Hier offenbart sich eine große Weltweisheit. Doch wollen 
wir uns bei alledem nicht verhehlen, daß jede statistische Zahl, jeder statistisch ge 
wonnene Mittelwert kein absoluter Wert, sondern mehr ein Wahrscheinlichkeits- 
Wert ist. Darauf ist in neuerer Zeit öfters und energisch hingewiesen worden, auch 
auf die Fehler der statistischen Methode. Das hat den Glauben an die Majestät der 
Zahlen, besonders da sie nur zu oft zu Agitationszwecken gemißbraucht worden sind, 
erschüttert. Die Allmacht der offiziellen statistischen Zahl, von der H. Wagner 1 2 
einst sprach, hat ihren Glanz eingebüßt. Wohl ist sie noch eine Großmacht, wie die 
Presse im öffentlichen Leben, aber man tritt heute den statistischen Methoden und 
Ergebnissen etwas mehr zweifelnd entgegen wie früher, trotzdem es warnende Stimmen 
in älterer Zeit genug gegeben hat. In der am 17. Januar 1828 in der Akademie der 
Wissenschaften zu Berlin gehaltenen Vorlesung C. Ritters hören wir von dem häufigen 
Mißbrauch der Zahlen in Statistiken und Geographien 3 , und mit besonderm Nach 
druck hebt er hervor: „Ein Mißbrauch der Zahl tritt da so leicht ein, wo man auf 
sie selbst den Wert legt, der nur der relativen Bedeutung des Verhältnisses angehört.“ 
Leicht hat der Kenner die Beispiele, daß Zahlen keineswegs immer beweisen, zur Hand. 
Man braucht nicht so weit zu gehen, um, wie es geschehen ist, die Statistik als den 
1 C. Graefe: Hippologische Karte von Bayern. München 18(31. Auf je 1 Quadratmeile 
werden im grünen Flächenkolorit dargestellt 1 100, 100 200. 200 .300, 300 400 Pferde. [Hof- 
u. St.-Bi. München.] 
2 H. Wagner: Vorschläge zur Vervollständigung offizieller Arealangaben. G. Z. 1903, S. (392. 
Die Auswertung statistischer Zahlenangaben für die Geographie ist geradezu eine der Lebensaufgaben 
Wagners, war ja auch sein Einfluß auf den statistischen Teil des Hofkalenders ein reformierender. 
Ygh „Justus Perthes in Gotha“, 1785 1885. Jubiläumsschrift, S. 102. 
3 C. Ritter, a. a. O., S. 219.
	        
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