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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
zu beweisen, daß Oberschlesien überwiegend polnisch ist. 1 Man entblödete sich nicht,
sogar deutsche kartographische Erzeugnisse, die unter ganz andern Verhältnissen
und mit ganz anderer Zweckbestimmung hergestellt waren, als Zeugen für ihre Um
fälschungen heranzuziehen (s. die Sprachkarten in Teil IV).
Das Unwahre sowohl wie das logisch Unsinnige liegt zu offen zutage, als daß
es sich lohnt, noch weitere Wor;te darüber zu verlieren. Legt man das prozentuale
Verhältnis zugrunde, das an sich in einen starren Rahmen gefaßt ist, dann müssen
auch die andern Erscheinungen, die mit diesem Verhältnis in Beziehung gebracht
werden, in einer fest umrissenen Gestalt auftreten, und eine wahre Vergleichsbasis
muß geschaffen werden. Mithin kommt der Quadratkilometer oder ein bestimmtes
Vielfaches davon in Betracht. Die Vergleichsbasis oder eine optimale Dichte (siehe
81) wird festgesetzt, und dann erst läßt sich ein wissenschaftlich einwandfreies
Kartenbild auf bauen.
Ein ebenso lügenhaftes und unlogisches Kartenbild, wie das oben dargelegte,
kann auch ohne Beziehung der Hundertanteile der Bevölkerung zur bewohnten
Eläche geschaffen werden. Nehmen wir an, die Gemeinde oder Ortschaft, in der
über 50°/ 0 x-sprachig sind, erhält einen dicken blauen Punkt auf der Karte und die
Gemeinde mit über 50% y-sprachigen einen dicken roten Punkt, dann wird eine
derartig hergestellte Karte zu einem Zerrbild der Wirklichkeit, besonders wenn wir
bedenken, daß die Landgemeinden im allgemeinen viel zahlreicher und kleiner als
die Stadtgemeinden sind. In .dem Kartenbilde drängen sich die zahlreichen roten
Punkte hervor und erwecken bei dem arglosen, uneingeweihten Laien den Eindruck,
als ob die y-Sprachigen bei weitem das Übergewicht hätten. Wie die wahren Verhältnisse
vollständig umgefälscht werden, mag folgendes zeigen. Von neun Landgemeinden
habe jede über 50% y-Sprachige; zahlenmäßig hat man 500 x-Sprachige und 750
y-Sprachige festgestellt. Drei Stadtgemeinden, die über 50% x-Sprachige aufweisen,
haben zusammen 44500 x-Sprachige und 4250 y-Sprachige. Im Hinblick auf die
zwölf Gemeinden haben die x-Sprachigen entschieden das Übergewicht; es gibt tat
sächlich neunmal mehr x-Sprachige als y-Sprachige, also schlägt die Wage des wirklichen
Zählungsverhältnisses zugunsten der Erstem aus. Die Karte hingegen gibt ein falsches
Bild, da erscheinen neun rote Punkte neben den drei blauen und erheucheln eine
Mehrheit der y-Sprachigen. Daß auf diese Weise zugleich auch geschichtliche, wirt
schaftliche und kulturelle Errungenschaften umgewertet werden, bedarf keiner nähern
Begründung. Und diese Art Umfälschung übelster Art gebrauchten die Entente
mächte, einschließlich Polens, um das polnische Recht auf Oberschlesien geltend
zu machen. So wurde das unwahr aufgebaute Kartenbild zur feilen Dirne, völkisch
und literarisch geschändet. Die Feder sträubt sich, die Namen der Verfasser jener
Schund- und Schanddenkmale der Kartographie hier aufzuzeichnen. 1 2
58. Einfachheit der statistischen Bildersprache. In technischer Beziehung
verfügen das statistische Kartogramm und die aus ihm sich weiter entwickelte geo
graphisch-kartographische Darstellung über Schraffur und Farbe, damit die einzelnen
Bezirke bzw. Regionen oder Schichten in die gewählten Gruppen eingereiht werden.
1 W. Stahlberg: Das Kartenspiel um Oberschlesien. Die Grenzboten, Z. f. Politik, Literatur
u. Kunst. LXXX, Heft 17 u. 18. Berlin 1921. Hier sind auch die einzelnen in Frage kommenden
Karten genannt und zergliedert.
2 Siehe Schluß der vorhergehenden Anm.