148
Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
drücklichst betont er: „Und wenn bei dem Vergleiche im Momente einer gefaßten
Idee der durch Zeichnung versinnlichte Gegenstand auch durch seine wahre Ziffer
Ausdruck erhält, dann sind die Vergleiche auch von produktivem Nutzen.“ Der
Gedanke ist gut, aber die praktische Ausführung hat versagt. Sein Leitfaden wurde
zum Leidfaden. Die Geschichte ist über den großen statistischen Atlas von Unschuld
hinweggeschritten. Heute kennt ihn kaum noch jemand.
Ähnlich ist es bei dem „System Kowastch“ der Fall. Zunächst wendet sich
der Verfasser gegen die Farbe bei der Bearbeitung statistischer Kartogramme. Das
ist schon ein erster Fehler, der begangen wird. Kowastch hat das Wesen der Farbe
für kartographische Darstellungen offenbar nicht erfaßt; denn sie gibt, was E. Fried
rich ausdrücklich betont, in überzeugendster Weise durch Nuancen die Abstufungen
wieder. 1 Gesetzt aber, eine Farbe, also Schwarz, wie Kowastch es angewandt hat,
genüge vollständig. Die in einer bestimmten Reihenfolge geformten Zeichen kehren
in gleicher Reihenfolge bei jeder Karte wieder. Das ist ein beherzigenswertes Moment.
Jedoch werden mit den gleichen Zeichen auf jedem Kartenbild neben verschiedenen
Qualitäten ganz verschiedene Quantitäten markiert. Mithin ist für jede neue Karte
ein Umwerten und damit zusammenhängend ein Umlernen notwendig. Das ist ein
zweiter bedeutender Fehler des neuen Systems; durch das Beibehalten der gleichen
Zeichen wird das Umdenken viel mehr erschwert als durch einen Farbenwechsel.
Dazu gesellen sich bei Kowastch noch kleine Finessen zum Verstehen der Karten,
in die sich jeder, der sie gelegentlich benutzt, jedesmal erst hineinarbeiten muß, da
es ganz ausgeschlossen ist, daß das Werk jemand von Anfang bis Ende ohne Unter
brechung studiert; wenigstens würde der Betreffende alsdann nicht mehr Erfolg
haben als bei dem ununterbrochenen Durchlesen statistischer Tabellen, mit andern
Worten, er würde einen totalen Minuserfolg haben. Die Wissenschaft stellt andere
Anforderungen an statistische Kartenwerke, sie wird stets zu detailliertem stati
stischen Karten greifen, wie sie z. B. enthalten sind in dem Werke: „Das Deutsche
Reich in gesundheitlicher und demographischer Beziehung“ 1 2 und in zahlreichen andern
Veröffentlichungen des In- und Auslandes. 3 Kowastch hat fast die gesamten Tabellen
1 E. Friedrich, a. a. O., S. 24.
2 Hg. vom Kaiserl. Gesundheitsamt und vom Kaiserl. Statistisch. Amt. Ausgabe 1912. Berlin.
3 Ganz besonders sei hingewiesen auf: Statistischer Atlas für den Preuß. Staat, Berlin, Verlag
des Kgl. Stat. Bureaus, 1905. (III. Teil aus der Festschrift des Königl. Preuß. Statist. Bureaus zur
Jahrhundertfeier seines Bestehens.) — Statistical Atlas of the United States. Auf die Klarheit und
Gewissenhaftigkeit der Ausnutzung statistischen Materials in den Quartbänden des Census der Ver
einigten Staaten wird des öftern hingewiesen, so z. B. von Alois Kraus in seinem „Versuch einer
Geschichte der Handels- und Wirtschaftsgeographie“, Frankfurt a. M. 1905, S. 88. — Royaume de
Belgique. Atlas statistique du receusement général des industries et des métiers. Brüssel 1903. —
Das Land, das als ein erstes einen mustergültigen statistischen Atlas herausgab, war Rußland mit
dem „Atlas économique et statistique de la Russie d’Europe publié par le Département de l’Economie
rurale du Ministère des Domaines de l’Etat“. 3e édition. St.-Pétersbourg 1857. Diesem Atlas
konnte sich seinerzeit keine ähnliche Erscheinung anderer Länder an die Seite stellen; auf 10 Blättern,
die übersichtlich und sauber in Farbe gedruckt sind, werden die wichtigsten statistischen Daten über
die Volkswirtschaft Rußlands dargestellt. Die speziellen Nachweise für tlie auf den Karten ver
anschaulichten Verhältnisse finden sich in einem beigegebenen besondern Schriftchen (in russischer
Sprache). Da der Atlas der erste und beste seiner Art ist, dürfte es angebracht erscheinen, auch hier
den Inhalt der einzelnen Kartenblätter kurz zu wiederholen. Das 1. Blatt zeigt die Beschaffenheit
der Ackerkrume, die Ausdehnung der Salzsteppen, Sümpfe und Tundren, die Nordgrenze des An
baues von Gerste, Roggen, Sommergetreide, Melonen, Wein und Mais, fernerhin die Isothermen,
Isotheren und Tsochimenen. Auf dem 2. Blatt wird die Verteilung der verschiedenen Arten der