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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
nutzen, so müßten die einzelnen Wahlkreise nach ihrer Einwohnerzahl farbig ab
gestuft werden, indem man die Gruppen mit 50—100000, 100—150000 usw. Ein
wohnern durch Töne einer Farbe oder verschiedene Farben unterschied. Damit ließe
sich aber eine gleichzeitige Darstellung der Verteilung der Parteien nicht verbinden.“
Und dennoch meine ich, wäre eine Art Verbindung zu bewerkstelligen. Innerhalb
der Farbe jeder Partei läßt sich durch verschiedenerlei Schraffierung eine ganze Reihe
von Gruppen aufstellen. Die gleichen Schraffensignaturen müßten auf alle Farben
bzw. Parteien übertragen werden. Auf dieser Grundlage könnten bemerkenswerte
Vergleiche angestellt werden, wie innerhalb derselben Partei oder innerhalb der ver
schiedenen Parteien die schwächern und stärkern Gruppen zueinander lagern. Dann
dürfte eine Reichstagwahlkarte ein Leben erhalten, wie es sich auf dem von der
Natur zugewiesenen Boden abspielt.
In der Reihenfolge der Wahlkarten ist noch die zu erwähnen, die als letzte
Karte die „Festschrift des Königl. Preußischen Statistischen Bureaus zur Jahrhundert
feier seines Bestehens“ schmückt und überschrieben ist: Parteistellung der Abgeordneten
in den einzelnen Landtagswahlbezirken Preußens bei den Abgeordnetenwahlen der
Jahre 1876, 1882, 1898 und 1903. 1 In ihr liegt eine beachtenswerte kartographische
Leistung vor, die sich den Fesseln des Kartogramms zu entwinden sucht, ohne daß
es ihr gelingt. Und es dürfte solchen Karten auch nie gelingen. Ihr Schicksal ist auf
Gedeih und Verderben mit der statistischen Methode verquickt. In Einzelfällen,
wo es sich nicht um Übersichtskarten großen Stils handelt, wird auch die Geographie
mehr zu Worte kommen, wie bei den Abstimmungskarten. Auf der Karte der
Parteistellung der Abgeordneten sind die einzelnen Wahlbezirke durch rote Linien
eingeschlossen und ihre Grundfarbe bezeichnet das Ergebnis der Wahlen vom Jahre
1903. Die innerhalb der Wahlbezirke eingezeichneten Kreise stellen die Ergebnisse
der Landtagswahlen in den Jahren 1893, 1882 und 1876 dar. Bei den rein städtischen
Wahlbezirken erscheint auf der Karte des Raummangels wegen nur das Ergebnis
des Jahres 1903. Die Partei färbe des Kandidaten (hier nur kartographisch gedacht),
der im entscheidenden Wahlgange die absolute Stimmenmehrheit erhalten hat, er
streckt sich über die Gesamtfläche des Wahlbezirks. Farbige Schraffierung eines
Wahlkreises oder der eingezeichneten Kreise besagt, daß in einem Wahlbezirke mehrere
Abgeordnete verschiedener Parteistellung gewählt sind. Hinzugefügt sei, daß die
technische Ausführung der Karte recht gut ist. Indessen dürfte das Farbenkonzert,
das in vollen Tönen erklingt, bei vielen Betrachtern nicht den gewünschten harmo
nischen Eindruck wecken.
B. Die Bevölkerungskarte.
I. Allgemeine methodische Grundlagen der Bevölkerungskarte.
61. Die Bevölkerungskarte, das große Gebiet kartographisch-statistischer Unter
suchung. Mit der Wiechelschen Karte sind wir bereits tiefer in das Studium von
Einzelkarten eingetreten, die verschiedengradig nach dem Gesetz der großen Zahl
aufgebaut sind; sie leitet uns, wie ich bereits zum Ausdruck brachte, über in das
Gebiet der reinen Bevölkerungskarten.
1 III. Teil der Festschrift: Statistischer Atlas f. d. preußischen Staat. Berlin 1905, T. 116.