Allgemeine methodische Grundlagen der Bevölkerungskarte.
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um so mehr hervor, je weniger scharf man hinsieht, und in ihm liegt gerade die Ur
sache der vielfachen Unsicherheit und des häufigen Schwankens, woran die Methodik
der Volksdichtedarstellung leidet. Wir müssen deshalb, um Klarheit zu gewinnen,
mehr die Unterschiede betonen; und diese werden erst dann recht deutlich, wenn
wir die Ziele ins Auge fassen, zu denen die einzelnen Wege führen. Und da bleibt
es eben dabei, daß das Wohnen immer punkthaft geschieht und auch bei einer Be
trachtung, die man mit Recht eine generalisierende nennen kann, nicht als flächen
haft erscheint. Wenn uns an seiner Darstellung gelegen ist, werden wir deshalb zur
absoluten Methode greifen, die, wie gezeigt wurde, durchaus nicht nur bei großen Maß
stäben anwendbar ist. Nur dann werden wir ohne Zwang zur relativen Darstellung
geführt, wenn wir untersuchenw ollen, ob und in welcher Weise die räumliche Verteilung
der Bevölkerung von einem ganz bestimmten geographischen Faktor, z. B. der Meeres
höhe oder der geologischen Zusammensetzung des Bodens, beeinflußt wird, oder auch
wie sie mit der physisch-geographischen Gliederung des Landes zusammenhängt. In
solchen Fällen handelt es sich immer um das Wohnen; aber die relative Darstellung
bildet das beste Mittel zur Vergleichung mit jenen geographischen Unterschieden.“ 1
Mit vorstehenden Worten wendet sich Schlüter hauptsächlich gegen Hettner,
dem, ähnlich wie Ratzel, die Wohnplatzkarte oder in feinerer Nuancierung die
„bevölkerungsstatistische Karte“ als die vollkommenste Wiedergabe der Bevölkerungs
verteilung erscheint. In der fortschreitenden Generalisierung der Siedlungs- bzw.
Wohnplatzkarte erblickt Hettner den Übergang von der absoluten zur relativen
Methode, oder, wie er sagt: „Der Übergang von der Darstellung der absoluten Be
völkerung zur Darstellung der Bevölkerungsdichte erfolgt also nur allmählich; zuerst
werden nur die Bewohner der kleinern, erst später auch die der großem Ortschaften
auf die Fläche verrechnet, und nur auf Karten sehr kleinen Maßstabs kommt der
Begriff der Bevölkerungsdichte, unter völligem Ausschluß der absoluten Darstellung,
zu durchgängiger Anwendung.“ 1 2 Mithin erscheinen nach Hettner Wohnplatzkarte
und Volksdichtekarte nicht als unversöhnliche Gegensätze, wie bei Schlüter, sondern
mehr als graduelle Unterschiede von Werten ein- und derselben Untersuchungsreihe.
Unstreitig ist die Methode Hettners, zur relativen Karte zu gelangen, geo
graphischer als die von Schlüter, die streng statistisch vorgeht und der es trotz aller
geographischen Vorstöße sich dem Bannkreis der Statistik zu entwinden nicht gelingt. 3
Und wir als Geographen müßten dem Hettnerschen Gedankengang noch viel mehr
Beachtung schenken; die Gewinnung der geographischen Relativität ist allerdings
bedeutend schwieriger als die der statistischen. Darin, daß die Hettnersche Methode
bis zur vollen Relativität des Kartenbildes fortgesetzt wird, ganz gleich, welcher
Maßstab für die Karte vorliegt, scheint mir der fruchtbarste Gedanke zu liegen, nur
darf sie bei der Ausscheidung gewisser Ortschaften, gegen die ich mich später noch
aussprechen werde, nicht stehen bleiben.
1 Zu den Volksdichtekn. m. Mischelementen geh. ausgesprochenermaßen die „Dasymetrische
(dichtemessende) K. des Europäisch. Rußlands“, hg. unt. d. Redakt. von W. P. Semenow-Tian-
Schanskij. 1:420000 in 127 Bl. St. Petersburg (seit 1922 i. Erscheinen). Auf die K. bin ich
während des Druckes aufmerksam geworden, konnte infolgedessen oben nicht mehr ihre Methode
behandeln, darüber vgl. M. Friederichsen i. P. M. 1924, S. 214.
2 A. Hettner: Üb. d. Untersuchung u. Darstellung der Bevölkerungsdichte. G. Z. 1901, S. 576.
3 Desgl. bei d. Kn., die i. Kielwasser Schlüters schwimmen, z. B. die Beitr. z. Siedlungsk. der südl.
Rhön u. des fränk. Saaletales. F. z. bayr. Landesk., hg. v. S. Günther u. J. Reindl. H. 1. K. in
i: 200 000. München 1920.
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