170
Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
festzustellen. Auf seiner Karte der Yolksdichte von Niederschlesien 1 in 1 : 550000
zerlegt er das Gesamtareal in Quadrate mit 5 km Seitenlange, zählte die darauf ent
fallende Einwohnerzahl und berechnete alsdann die jedem Quadrat zukommende
Dichte. Mit Hilfe der topographischen Karte veränderte er das aus Quadraten zu
sammengesetzte Mosaikbild und begrenzte die Zonen gleicher Dichte mit Kurven.
Anstatt der Quadrate werden auch Sechsecke benutzt. C. Gelbke baute seine Volks
dichtekarte des Mansfelder See- und Saalkreises 1 2 auf Sechsecken von 7,2 qkm auf.
Auch C. Käsemacher 3 , H. Friedrich 4 und H. Stoltenburg 5 sind der sogenannten
mathematischen Methode gefolgt.
Für wenig gegliederte Gebiete mag sich die sogenannte mathematische Methode
eignen, je komplizierter Landschafts- und administratives Bild werden, um so mehr
versagt sie. Nicht selten kommt es vor, daß ein Dorf von seinen Ländereien durch
die Grenzen der Figuren geschieden wird oder eine größere Ortschaft in zwei Quadrate
hineinreicht. Schon E. Küster hat auf diese Bedenken hingewiesen, wohl war aber
O. Delitsch der erste, der sich gegen die Benutzung von geometrischen Figuren,
wie Sechseck, Viereck, wandte, indem er hervorhob, „daß sich weder die Bildung
der Erdoberfläche noch die Entwicklung des menschlichen Lebens auf derselben
jemals nach der Schablone mathematischer Linien und Figuren gerichtet habe“. 6
Durch die sogenannte mathematische Methode wird Zusammengehöriges nur zu
leicht getrennt. Vor allem jedoch leidet sie an der Schwierigkeit, innerhalb der ge
wählten Figur die Einwohnerzahl richtig festzustellen. Durch die Einpressung des
lebendigen Elements der Volksdichte in eine mathematische Schablone entbehren
die Karten von Grund auf eines wesentlichen, geographischen Momentes und ent
fernen sich nach Ratzels Ansicht von der statistischen Methode, ohne den Weg der
geographischen bis ans Ende zu gehen. 7
Immerhin ist die sogenannte mathematische Methode noch besser als die, die
Früchtenicht auf seiner Karte der Volksdichte im Herzogtum Anhalt in 1 : 300000
anwandte 8 , worauf er, da die Gemarkungsgrenzen nicht für das ganze Gebiet erhältlich
waren, gewisse Einheiten konstruierte, denen er mit dem Polarplanimeter ein Stück
Land zu wies, „das nicht der Begrenzung nach, wohl aber hinsichtlich der Größe und
der ungefähren Lage dem wirklichen Areal entspricht“. Diese Methode ist kaum
wiederholt worden; sie entbehrt der wissenschaftlichen Basis und öffnet einer will
kürlichen Behandlung Tor und Schranke.
71. Keine Methode der einwandfreien Volksdichtedarstellung. In der Geo
graphie hat die Methode der einwandfreien Darstellung der Volksdichte immer ge
1 E. Träger: Die Volksdichte Niederschlesiens. Z. f. wiss. Geogr. VI, 1888.
2 C. Gelbke: Volksdichte des Mansfelder See- u. Saalkreises. Diss. Halle 1887. 1: 125000.
3 C. Käsemacher: Volksdichte der thüring. Triasmulde. Forsch, z. d. L.- u. V. VI, 1892,
1: 400000.
4 H. Friedrich: Das Waldenburger Bergland. 1894. 1: 100000.
5 H. Stoltenburg: Die Verteilung der Bevölkerung im Regierungsbezirk Köslin. Greifs
wald 1896. VI. Jahresber. d. Geogr. Ges. z. Greifswald, 1893—96, Teil I, S. 95—137. 1: 520000.
6 O. Delitsch: Kartographische Darstellung der Bevölkerungsdichtigkeit usw. V. Jahres
bericht d. Ver. v. Freunden f. Erdk. zu Leipzig. 1865, S. 3 u. 4.
7 Fr. Ratzel: Anthropogeographie. II. Stuttgart 1891, S. 194.
8 H. Früchtenicht: Die Volksdichte im Herzogtum Anhalt nach der Volkszählung vom
2. Dez. 1895. Diss. Halle 1897. In den Mitt. d. Ver. f. Erdk. zu Halle. 1897, S. 64 — 74.