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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
sächlichen geographischen Erscheinung oder jeder Berufsgruppe ein besonderes
Kartenbild zugedacht wird. 1
Ausnahmsweise können auch einige zusammengehörige Berufsgruppen oder
gar diametral entgegengesetzte auf ein Kartenblatt gebracht werden. Indes gehört
die Konstruktion der Karte, auf der gleichzeitig verschiedene Berufe oder verschiedene
wirtschaftliche Tatsachen veranschaulicht werden sollen, zu den schwierigsten Pro
blemen der praktischen Kartographie. Mit diesen Karten treten wir in die Gruppe
ein, die A. Hettner „Karte der Erwerbsdichte“ nennt, dir. Sandler „Volkskarte“,
0. Schlüter „Volkswirtschaftskarte“. Letztere Bezeichnung ist weniger zu emp
fehlen, da sie zu allgemein ist und das Wesen der darunter zu verstehenden Karte
nicht deutlich genug umfaßt; außerdem erinnert der Ausdruck zu sehr an das stati
stische, volkswirtschaftliche Kartogramm, das auch „Volkswirtschaftskarte“
genannt wird. 1 2
E. Küster war es, der zuerst den Ruf nach Gliederung der Bevölkerung in
Berufgruppen und nach der Darstellung dieser Berufsglieder auf dem wirtschaftlich
zugehörigen Boden ertönen ließ. 3 Seine Forderungen fanden einen kartographischen
Niederschlag in den Volkskarten von Chr. Sandler 4 , auf denen die Bevölkerung,
die aus der Waldwirtschaft ihren Lebensunterhalt verdient, auf die Waldfläche, die
Ackerbaubevölkerung auf die Ackerfläche relativ verteilt wird, dagegen aber die
„ortsständige“ Gruppe nach absoluter Methode auf ihre Wohnplätze. 5 Was früher
nicht als darstellbar galt, hat Sandler dargestellt, darin bedeuten seine Karten einen
Fortschritt.
Auf einer Siedlungs- (Wohnplatz-) Karte, ganz im Genre der bevölkerungs
statistischen Grundkarte, scheidet mit besonderer Kennzeichnung des Waldes
Fr. Weißbach die landwirtschaftliche Bevölkerung von der industriellen; die Aus
füllung der Ortssignaturen mit roter Farbe gibt den Prozentsatz der nicht landwirt
schaftlichen Bevölkerung in den einzelnen Ortschaften an, die gelbe Farbe drückt
den Prozentsatz der landwirtschaftlichen Bevölkerung aus. 6
76. Die Gemarkung. Die Gemarkung ist die Fläche der einzelnen Verwaltungen
bezirke, die entweder Landgemeinde oder Gutsbezirk oder Stadt umfassen. Es ist
Brauch geworden, in der Gemarkung das kleinste Element zu erblicken, das zum
Aufbau des Volksdichtekartogramms oder der Volksdichtekarte dient. Je kleiner
die Elemente des bevölkerungsstatistischen Kartogramms sind, desto besser werden
1 Walter Dau hat dazu einen Anfang gemacht, und zwar in der Übersichtskarte der relativen
Verbreitg. der Berufsgruppe: Chemische Industrie nach d. Zählung v. 14. Juni 1895. P. M. 1906,
T. 14, und in der Karte der Dichte der Berufsgruppe: Bergbau, Hütten- u. Salinenwesen, Torfgräberei
Diss. Kiel 1906. Bedauerlich ist, daß die Karten, die unter Krümmels und meiner Leitung von
Dau bearbeitet wurden, nicht sämtlich veröffentlicht werden konnten. Fertig im Manuskript lagen
noch vor die Karten zu den Berufsgruppen: Textilindustrie; Bergbau und Hüttenwesen, Industrie
und Bauwesen; Metallverarbeitung; Maschinen, Werkzeuge, Instrumente und Apparate.
2 An die „Volkswirtschaftskarte“ erinnert auch etwas die „Arbeitplatzkarte“ von L. Weise,
s. oben S. 158, 159.
E. Küster: Zur Methodik der Volksdichtedarstellung. Ausland 1891, S. 154—158, 166 170.
4 Chr. Sandler, a. a. 0„ s. Anm. 5, S. 162.
5 Vgl. hierzu die ausführliche Besprechung von L. Neumann in P. M. 1899. L. B. 639, und
auch das, was daselbst Neumann über Sandlers Bezeichnung „Volkskarte“ sagt.
6 Fr. Weißbach: Karte der wirtschaftsgeographischen Verhältnisse im mittlern Teile des
sächsischen Erzgebirges. 1: 100000. Tn Forsch, z. d. L.-u. V. XVIT, 1906.