Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode. 
78. Ausscheidung des unbewohnten Landes. Wir wissen, daß es ein durchaus 
relatives Bild ist, was uns die Volksdichtekarte bietet. Jede Relativität birgt Fehler 
quellen in sich, die bei der Volksdichtedarstellung auszumerzen vielfach als ein Ding 
der Unmöglichkeit erscheint. 
Daß in dem Gemeindeareal keine absolute feststehende Größe vorliegt, ist 
oben erörtert worden. Noch weniger ist die Größe der sogenannten „bewohnten 
Fläche“ feststehend. Schon innerhalb der Gemeinde wechselt diese Fläche mit den 
Aufforstungen unbewaldeter und der Urbarmachung bewaldeter Gebiete. Was ist 
überhaupt die bewohnte Fläche? Darüber gehen die Meinungen teilweise be 
trächtlich auseinander und W. Volz hat nur zu recht, wenn er sagt, daß hierbei der 
Willkür Tür und Tor geöffnet ist. 1 Fast in jeder Volksdichtearbeit begegnet man 
einer etwas abweichenden Definition; doch darin stimmen alle überein, daß gewisse 
Teile des Landes der bewohnten Fläche nicht zuzurechnen sind. 1 2 Als auszuschließende 
Teile werden Seen, Wälder, Öd- und Unland (unproduktives Land) angesehen. In 
dieser Hinsicht ist über die Seen, soweit sie nicht als produktive Fläche Fischerei- 
und Schiffahrtzwecken dienen, kein Wort zu verlieren (s. auch S. 159). In ältern 
Arbeiten, wie bei 0. Delitsch 3 , sind Binnenwasserflächen ohne weiteres mit in die 
Berechnung gezogen worden. Öd- und Unland bei Übersichtskarten von kulturell 
hochstehenden Ländern, wie Deutschland, Frankreich, Holland, Belgien, in die be 
wohnten Gebiete mit einzubeziehen, hat keine wesentlichen Fehler der Dichtedarstellung 
zur Folge. Hinwiederum dürfte man es kaum beanstanden, daß auf den Volksdichte 
karten von J. G. Bartholomew 7 im The R. Scottish Geographical Society s atlas 
of Scotland (Edinburgh 1895) und im The survey atlas of England and Wales (Edin 
burgh 1908) die unbewohnten Gebiete sorgfältig ausgeschieden und weiß ausgespart 
sind, wodurch der Gegensatz von Hoch- und Tiefland, von West und Ost in greifbarer 
Form zutage tritt. Es handelt sich bei solchen Übersichtskarten um ganz bestimmte 
Gebiete und ganz bestimmten Zweck. Auch bei Norwegen w r äre es unangebracht, 
das Ödland, das „anökumenische“ Gebiet, wie es H. Magnus zusammenfaßt 4 , nicht 
ausscheiden zu wollen. Umgekehrt kann manches Ödland für die Berechnung un 
entbehrlich werden; die Moore, die von Moorkolonien strichweise durchzogen sind, 
müssen der bew r ohnten Fläche beigerechnet werden. Also ist immer von Fall zu Fall 
zu entscheiden. 
Wahrend für die Ebene und das Hügelland das unbewohnte Land kaum aus 
zuscheiden ist, wird dessen Ausscheidung im Mittelgebirge auf mehr speziellem Karten 
schon wahrscheinlicher, wie es L. Neu mann beim Schwarzwild und K. Neukircli 
bei den Vogesen erwiesen haben. Unnatürlich wird die Volksverteilung auf einer 
Karte des Hochgebirges, w r enn bei einem Einzelgebiet im großem Maßstab die Volks 
1 W. Volz: Besiedlungskarte von Oberschlesien. Veröffentl. der Schlesisch. Ges. f. Erdkunde. 
Heft 3. Breslau 1922, S. 4. 
2 Ed. Wagner, a. a. O., S. 531. — L. Weise faßt als bewohnte Fläche die Gesamtheit der 
Orte zusammen, an denen sich der Mensch zum Zwecke des Erwerbs oder der Beschäftigung aufhält. 
S. 17 seiner methodischen Untersuchung über die „Darstellung der Bevölkerungsverteilung in Europa“. 
Gießen 1913. 
3 O. Delitsch hat neben den Wasserflächen auch den unfruchtbaren Boden, die Heiden und 
Moore in der Dichteberechnung nicht ausgeschieden. Dagegen wendet sich E. Träger mit dem 
Hinweis, daß die wahre Dichtigkeit des Fruchtlandes durch diese Einberechnung bedeutend ver 
mindert werde; a. a. 0„ S. 11. 
4 H. Magnus: Zur Siedlungskunde von Norwegen. Z. d. Ges. f. Erdk. zu Berlin 1898.
	        
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