Das Problem der Yolksdichtedarstellung im besondern.
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deren Darstellung unangenehm Beeinflussendes anzusehen. Die Zeiten sind vorüber,
in denen R. Lüddecke schrieb, daß die städtische Bevölkerung bei jeder Karte der
Yolksdichte zur Vermeidung von falschen Vorstellungen auszuschließen ist.. 1 „Heut
zutage hängt die Vermehrung und Verdichtung der Bevölkerung“, wie G. Greim
schreibt, „von ganz andern Faktoren ab als von der Größe der landwirtschaftlich
benutzten Fläche an der betreffenden Stelle, wie schon daraus zu sehen ist, daß in
manchen Gegenden bei ständig stark steigender Bevölkerung unbarmherzig Teile
der landwirtschaftlich benutzten Fläche zur Vergrößerung der Siedlungen in An
spruch genommen werden.“ 1 2 Der Begriff der Stadt, insonderheit der Großstadt,
hat sich gewandelt. Aus der geographischen Einheit der Großstädte ist eine poli
tische und darüber hinaus eine wirtschaftliche Einheit geworden. Das hat an der
Hand von Großstadtskizzen K. Olbricht klar und deutlich nachgewiesen (s. S. 157). 3
Die Umkreisbildung der Städte, nicht allein der Großstädte, hat in den letzten De
zennien eine merkliche Erweiterung, vielfach erst das rechte Aufblühen gefunden.
Und gerade dieses landschaftliche und wirtschaftliche Moment sollte bei einer Volks
dichtekarte vernachlässigt werden?
Was ist überhaupt der Begriff „Stadt“? In statistischer Weise ist er unklar
und irreführend, wenn damit eine bestimmte Größenklasse von Ansiedlungen be
zeichnet wird, wie großenteils schon die Ortschaften, die über 2000 Einwohner zählen.
Das ist ebenso falsch, wie „wenn man Klein- oder Zwergsiedlungen ohne weiteres
als Höfe oder gar als Einöden bezeichnet, oder, wie Meitzen das tut, den Namen Weiler
ohne weiteres mit einer bestimmten Flurform gleichsetzt“. 4 Auf den Grundton, der
aus diesen Worten klingt, ist R. Gradmanns Untersuchung über die städtische Be
siedlung des Königreichs Württemberg eingestimmt. Er legt weniger auf die Orts
form Wert als vielmehr auf die Flurform, die ihm nach Raum und Zeit beständiger
als jene ist und die Ausscheidung gut begrenzter geographischer Gebiete erlaubt.
Auf seiner Karte bringt er z. B. Großsiedlungen, über 2000 Einwohner, und Zwerg
städte, unter 2000 Einwohner, gut zur Veranschaulichung (S. 157).
Nicht selten hört man, daß durch die Ausscheidung der Städte die Volksdichte-
darstellung an geographischem Boden gewönne. Jean Brunhes sagt: „Aussi bien
la statistique elle-méme se fait-elle de plus en plus géographique: le calcul de la densité
de la population élimine, par exemple, les grandes villes comme constituant un tkment
qui n’est pas comparable avec les autres.“ 5 Ob sich nun die statistische oder die
geographische Volksdichtedarstellung der Ausscheidung der Städte bedient, ein
exaktes Bild für die Gesamtdichte wird nicht erzielt. Es fehlt ein größerer, wenn
nicht der größte Bruchteil der Bevölkerung und gerade derjenige, der hauptsächlich
die Verdichtung bewirkt. Die Karte mit den ausgeschiednen Städten wird mehr
und mehr eine Karte der Landbevölkerung; und da mag sie ihre volle Geltung be
wahren. Es liegt sodann durch sie ein spezieller Fall der Erwerbsdichtekarte vor.
Infolgedessen wird es klar, daß man mit ihr das Grundprinzip der einfachen und
1 R. Lüddecke: Entwicklung der Besiedlung der Vereinigten Staaten. P. M. 1888, S. 135.
2 G. Greim: Beiträge zur Änthropogeographie des Großherzogtums Hessen. Forsch, z. d.
L.- u. V. XX, 1912, S. 95.
3 K. Olbricht: Die deutschen Großstädte. P. M. 1913, II, S. 57.
4 R. Gradmann: Die städtischen Siedlungen des Königreichs Württemberg. Forsch, z. d.
L.- u. V. XXI, 1914, S. 203.
5 J. Brunhes, a. a. O., S. 65.