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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
hinreißen lassen, daß die kartographische Darstellung der Volksdichtigkeit in Kurven
bloß Selbstzweck sei, dagegen die nach Verwaltungsgebieten ein Mittel für weitere
Forschung, das für den Verwaltungspolitiker und Statistiker unentbehrlich ist. 1
Gegen diese Auffassung wendet sich bereits L. Weise, da gerade die Kurvenkarten
das bequemste Mittel sind, den Einfluß vom Boden und sonstigen geographischen
Verhältnissen auf die Verbreitung des Menschen und zuletzt auch auf die Entwicklung
der Staatsgebilde zu studieren. Dabei muß man jedoch berücksichtigen, daß
Fr. v. Juraschek lediglich vom Standpunkt des Statistikers aus und in dessen
Interesse urteilt. Auch auf geographischer Seite finden wir Opponenten der Kurven
zeichnung, so unter andern Eugen Träger. Ihm sind die Kurven auf den Karten
von Behm, Hanemann, Kettler nur „Übergangs- oder Terrassenkurven“. Er ironisiert
die damit geschaffnen Kartenbilder. „Das Bild wird dadurch allerdings wahrhaft
anmutig, in elegant geschweiften Stufen erheben sich die Dichtigkeiten allenthalben
vom Minimum zum Maximum empor und man empfindet bei der Betrachtung fast
das Vergnügen des Bergsteigers, der mit der zunehmenden Höhe seines Standpunkts
einen immer weitern und freiem Blick genießt.“ 1 2 Nach ihm muß diese Lust, die
im Beschauer erregt wird, grundsätzlich vermieden werden, „weil sie auf Kosten
der Naturwuhrheit geweckt wird.“
L. Weise beschäftigt sich eingehender mit der Kurvenkonstruktion und sucht
eine neue Methode zu ergründen. Aus den Dichtewerten und dem Besiedlungsbild
Stellt er so genau wie möglich den Verlauf der Kurven fest und läßt sich dabei von
den ganz ähnlichen Prinzipien leiten, wie sie vor einem halben Jahrhundert bereits
Behm und Hanemann, späterhin H. Wagner, B. Lüddecke 3 u. v. a. m. gepflegt
haben. Auf seiner Skizze von Frankreich sucht er seine Kurvenmanier mit den auf
rein statistischer Grundlage direkt gewonnenen Kurvenzügen zu vergleichen. Trotz
der großen darauf verwendeten Mühe kommt er zu einem von letztem Kurven
zügen nicht allzusehr abweichenden Bild. Lohnt sich alsdann die darauf verwandte
Arbeit? L. Weise kommt schließlich selbst zu dem Ergebnis, daß sich die Genauigkeit
von Land zu Land, von Landschaft zu Landschaft ändert, ja mit jedem Maßstab,
mit jeder Statistik und jedem Siedlungsbild. Trotzdem muß sein Bestreben an
erkannt werden, der Willkür im Verlauf der Kurvenlinien zu steuern, selbst wenn
der Wert seiner Kurven ebenso approximativ ist wie der anderer geographischer
Bevölkerungsdichtekarten.
83. Die Isarithmenfähigkeit der Kurven auf Volksdichtckartcn. In der reichen
Literatur über Volksdichtekarten ist dem Problem der Kurvendarstellung schon eine
hinreichende Fülle von Worten gewidmet worden und viele Bearbeiter sind überzeugt,
das Ei des Kolumbus gefunden zu haben; dringt man indes tiefer in ihre Ausführungen
ein, wird man enttäuscht, wenn nicht gar mißmutig „und ist so klug als wie zuvor“.
1 Fr. von Juraschek: Flächeninhalt und Bevölkerung Europas. Bull, de l’Institut Inter
national de Statistique. XIV. 2. Heft. Berlin 1905, S. 59.
2 E. Träger: Die Volksdichtigkeit Niederschlesiens. Z. f. wiss. Geogr. VI. Weimar 1888,
S. 176.
3 Unter den ältesten Kartenzeichnern von Bevölkerungsdichtekarten haben sich mit der Be
handlung der Kurven außer E. Behm u. a. besonders O. Delitsch und R. Lüddecke befaßt.
Bemerkenswert sind Lüddeckes Ausführungen zur Konstruktion der Karte der Volksdichte der
Vereinigten Staaten von Amerika und von Canada. P. M. 1888, S. 134, 135. Dazu T. 8.