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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode.
der verschiedenen Terrainstufen gewährt. Für gegebene Gebiete zeigt sie, wie irrig
die Annahme ist, daß die fruchtbarste, die ebene Gegend die bevölkertste ist.
B. Cotta sagt bereits: ,,Die stärksten Bevölkerungszahlen finden sich in Deutschland
in der Tat nicht in den fruchtbaren Niederungen, sondern in den Gebirgen von mitt
lerer Höhe, so z. B. in dem Gebirgszuge des Thüringer Waldes und des Erzgebirges,
in einem Teile des Schwarzwalds usw.“ 1 Dasselbe ist E. Behm bei der Betrachtung
der Volksdichte im Erzgebirge und in den Sudeten aufgefallen 1 2 , und bezüglich des
Erzgebirges bemerkt A. Penck, ,,daß dieselbe (so die nördliche Umwallung Böhmens)
vermöge ihrer orographischen Gliederung wie auch ihrer Erhebung durchaus geeignet ist,
eine dichte Bevölkerung zu tragen.“ 3 All diesen Beobachtungen gab J. Burgkhardt
einen sichtbaren Ausdruck in der hypsographischen Volksdichtekarte des Erzgebirges. 4
Selbst in Gebieten mit geringerer Bodenerhebung macht sich der Unterschied
zwischen Aveniger dicht besiedelten fruchtbaren Tieflandschaften und dichter besie
delten weniger fruchtbarem Hügelland bemerkbar und ist daselbst auch ohne Höhen
schichten-Volksdichtestuf en nachweisbar. Die Untersuchung von 0. Thiele über
die Verdichtung im Regierungsbezirk Aurich 5 hat ergeben, daß die Geest eine fast
zweimal so dichte Besiedlung als die Marsch trägt und daß das Moor in seiner Be-
völkerungsdichte der Marsch wenig nachsteht.
Eine besondere neue und dankbare Methode glaubte E. A. Neovius zu be
folgen 6 , als er für Finnland nach wies, daß Küste, Seeufer, Talläufe und Tonboden
zur Verdichtung der Siedlungen in deutlich sichtbarer Weise beitragen, dagegen
Sandböden und Moränenbildungen ihre Zahl beträchtlich vermindern. Er legte längs
der Meeresküste und der Seeufer Landstreifen \'on rund 5 km Breite, desgleichen
solche Streifen den Ufern der Flüsse entlang. Die so gewonnenen Arealstreifen, die
Neovius da und dort aus topographischen Gründen Avieder gliederte, wurden von
dem Gesamtareal ausgeschieden und ihrer Volksdichte nach bestimmt; in sie wurden
ferner die Orte durch Kreise eingetragen, deren Durchmesser die Bevölkerungszahl
nach einem beigegebenen Maßstab wiedergibt. Für ein derartig eigentümlich be
siedeltes Land Avie Finnland liefert die Arbeitsmethode A 7 on Neovius ein ganz brauch
bares Bild, sie etwa auf Mittelgebirgslandschaften zu übertragen wäre verfehlt.
Für manche alpine Gegenden würde diese Methode amvendbar sein; hier engen sich
vielfach die BeAvohner noch mehr zusammen, was F. Löwl verleiten ließ (nur theo
retisch!), die EinAA T ohneranzahl auf einem Längenmaßstab zu berechnen, Avenn er
z. B. ausführt, daß im Stubaital 220 Bewohner auf 1 km entfallen. 7
88. } olksdichtekarte und geologische Grundlage. Die Wahrnehmung, daß die
geologischen Verhältnisse auf die Besiedlung zuw r eilen A T on maßgebendem Einfluß
1 B. Cotta: Deutschlands Boden. 2. Aufl. Leipzig 1858. 2. Teil, S. 53.
2 E. Behm u. H. Wagner: Die Bevölkerung der Erde. P. M. Ergh. 33. Gotha 1874, S. 102.
3 A. Penck: Das Deutsche Reich. Unser Wissen v. d. Erde. II. Wien, Prag u. Leipzig
1887, S. 419.
1 J. Burgkhardt: Das Erzgebirge. Eine orometrisch-anthropogeographische Studie. Forsch,
z. d. L.- u. V. III. 1888.
J O. Thiele: Die Verdichtung im Regierungsbezirk Aurich. Mit 1 Karte. Forsch, z. d. L.-
u. V. XIII. 1901.
6 E. R. Neovius: La densité de la population en Finlande, d’après une méthode carto
graphique nouvelle. Fennia XVIII, Nr. 3. 2 Karten 1:200000. Helsingfors 1900/01.
7 F. Löwl: Siedlungsarten in den Hochalpen. Forsch, z. d. L.- u. V. II. 1888. S. 414.