Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die angewandte Karte und ihre wissenschaftliche Methode. 
sind eben labiler Natur, wie A. Grund recht gut im Wiener Wald und Wiener Becken 
nachgewiesen hat, dagegen Form und Lage mehr stabil. 1 
Durch einen einheitlichen Aufbau haben die bevölkerungsstatistischen Grund 
karten einen großen Wert für alle Zeiten. Zuletzt ist es gar nicht nötig, sie mit jeder 
Volkszählung neu zu bearbeiten; wenn sie von Jahrzehnt zu Jahrzehnt herausgegeben 
werden, oder, wenn dies noch zu kurzfristig erscheint, von Vierteljahrhundert zu Viertel 
jahrhundert, genügt es vollständig. Daß die Herstellungskosten der einfarbigen 
bevölkerungsstatistischen Grundkarten wesentlich billiger sind, als die der bunt 
farbigen statistischen Gemarkungs-Dichtekarten, ist selbstverständlich und bedarf 
keiner weitern Begründung. Ich kann mich des Gedankens nicht erwehren, daß 
man sich noch gar nicht recht bewußt geworden ist, welche große Bedeutung dieses 
Urmaterial hat und wie mit den im Laufe der Jahrzehnte neu erwachsenden Aus 
gaben (= Auflagen) der Wert des Ganzen sich steigert. In der Annahme, wir hätten 
Ausgaben für fünf Jahrzehnte vor uns, wie sicher und schnell könnte man das Wachs 
tum verschiedener Gemeinden Deutschlands feststellen. Für anthopogeographische, 
insbesondere für kultur- und wirtschaftsgeographische Schlußfolgerungen würden 
diese Karten ein ebenso prächtiges wie unentbehrliches Nachschlage- und Studien 
werk bilden. Hauptsächlich dürfte durch die Grundkarten den statistischen Ämtern 
ein neues erfolgreiches Arbeitsgebiet erblühen, wenn sie sich dabei mehr als bisher 
auf die von den Geographen gemachten Erfahrungen und Vorschläge stützen würden. 
Und so bezeichnet m. E. die bevölkerungsstatistische Grundkarte noch mehr als die 
Gemeinde und das Gemeindekartogramm, wie Schlüter meint, die Stelle, „an der 
sich Statistik und Geographie die Hand zu wechselseitig förderndem Bunde bieten 
können.“ 1 2 
91. Grundsätzliches Uber Siedlungs- und Volksdichtekarten. Am Schluß der 
LTntersuchungen über die Volksdichtekarte und Verwandtes angelangt, sei das Grund 
sätzliche nochmals in zusammenfassenden Worten hervorgehoben. Als ein erster 
Hauptpunkt erscheint es mir, sich bei der Beurteilung von Volksdichtekarten nicht 
auf einem einseitigen, von vornherein angenommenen Standpunkt festzulegen, so 
etwa, wie es nicht selten in der Geologie und Morphologie geschieht, wo eine Autorität 
mit ihren Hypothesen alle Untersuchungen zu beherrschen und die von anderer Auf 
fassung getragenen Forschungen zu lähmen strebt, bis zuletzt es einer neuen Autorität 
gelingt, sich Geltung zu verschaffen, um unter Umständen den Unfug der alten 
wieder von neuem zu beginnen. Kritisch soll von allen Seiten zu Wege gegangen, 
scharf gesichtet und das Beste behalten, dabei aber jedem die Eigenart bewahrt 
werden. Sobald wir uns bei der Beurteilung der Volksdichtekarten auf ein höheres 
Niveau stellen und in jeder ernst gemeinten und sorgfältig, wenn auch nach ver 
schiedener Methode durchgeführten Arbeit einen Baustein in der Erkenntnis der 
Eigentümlichkeit des Volkskörpers und dessen Abhängigkeit vom Boden erblicken, 
kann das nur zur Förderung des Problems beitragen und neuen Seiten der Bearbeitung 
das Tor öffnen; denn das ist klar, daß es eine geographisch allein anzuerkennende 
Methode nicht gibt und auch nicht zu finden sein wird. Darauf haben wir genügend 
1 A. Grund: Die Veränderungen der Topographie im Wiener Wald und Wiener Becken, 
ln A. Pencks Geogr. Abh. VIII. Leipzig 1902. 
2 O. Schlüter in einer Rezension über.den Statistischen Atlas für den• preußischen Staat. 
Z. d. Ver. f. Erdk. z. Berlin. 1905, S. 802.
	        
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