Die Funktionen der Mittelwerte auf Verkehrs- und wirtschaftsgeographischen Karten. 217
mittlere Stationsdichte ist jedoch nicht immer ein derartig sicherer Maßstab für
die Aufgeschlossenheit eines Landes wie die mittlere Maschenweite oder die mittlere
Eisenbahnferne, weil die Verteilung der Siedlungen mit den Stationsdistanzen in
engem Zusammenhang stellt. 1
Die kartographische Veranschaulichung der Stationsdichte unterliegt den
selben Prinzipien wie die der mittlern Maschenweite, der mittlern Eisenhahndichte usw.
Die Stationsdichte ist in den meisten Fällen ein Spiegelbild der Dichtigkeit des Bahn-
netzes. Beide bedingen sich gegenseitig. Daß Ausnahmen von dieser Regel bestehen,
wenn auch selten, ist ohne weiteres anzunehmen. Behandelt man irgendein größeres
Gebiet bei genügender Maßstabgröße, wie die Dichtigkeit des Bahnnetzes im Deutschen
Reiche, kann man die mittlere Netzdichte als „Reichsdurchschnitt“ bezeichnen,
wie es J. J. Kettler 1883 getan hat. 1 2 Die Dichtigkeit wird auf ein Areal von 100 qkm
bezogen, und für diese Fläche gewinnt Kettler den Reichsdurchschnitt von 6,23 km
Bahn. Was darunter fällt hat er in vier graue Stufen gegliedert und was darüber in
vier rote Stufen. Von den administrativen Grenzen ist er ausgegangen. Um jedoch
ein übersichtliches und der Wahrheit tunlichst genähertes Bild zu erhalten, bindet
er sich nicht sklavisch an die oft so ungeographischen, darum widernatürlichen Grenz
formen und strebt nach geographischen, zusammenhängenden Einheiten. In Rück
sicht auf den Maßstab findet bei der Bearbeitung von Eisenbahndichtekarten nahezu
ein umgekehrtes Verhältnis wie bei der von Volksdichtekarten statt. Je größer der
Maßstab, umsomehr kann geographischer gearbeitet werden, je kleiner, umsomehr
ist man gezwungen, sich an die administrativen, bzw. politischen Tatsachen anzu
schließen. Schon der Maßstab 1 :4500000 bot Keller hinreichend Schwierigkeiten,
geographischen Forderungen nachzukommen, wievielmehr erst die Maßstäbe für
Weltkärtchen zu allgemeinen Übersichten, wie ich sie seinerzeit entworfen hatte. 3
Für mich konnte lediglich die Staatenkarte der Erde von Nutzen sein; ich will nicht
leugnen, daß in spätem Jahrhunderten, wo unser Erdball mit Eisenbahnen einiger
maßen saturiert ist, selbst für kleine Übersichtskarten die geographische Methode
ein belehrenderes und anschaulicheres Bild als die statistische geben wird, ln dem
selben Sinne, wie mein Weltkärtchen bearbeitet, findet sich ein ausgezeichnetes, bunt
farbiges Kärtchen „Eisenbahndichte in Europa mit Entfernungskreisen von Berlin“
in F. A. Brockhaus’ Kleinem Konversationslexikon (5. Aufl.), gezeichnet von der
Meisterhand Alwin Herrichs.
97. Die mittlere Zahl auf Wirtschaftskarten. Die mittlere Zahl hat sich ein
größeres Arbeitsfeld auf dem Verkehrs- als auf dem Wirtschaftsgebiet erobert. Das
liegt in der Natur der Dinge, denn im Verkehr kommen Raumverhältnisse (Raum
bewältigung) und Zeitverhältnisse (Zeitdauer) zur Geltung. Sie stehen in Wechsel
wirkung von Ort zu Ort, von Raum zu Raum, und ihre kartographische Darstellung
ist, weil' ihre Kräftewirkungen nach verschiedenen Richtungen und verschiedener
Intensität erfolgen, vermittelten Werten zugänglich.
1 Vgl. hierüber F. G. Hahn: Die Eisenbahnen, ihre Entstehung und gegenwärtige Verbreitung.
Leipzig 1905, S. 74.
2 J. I. Kettler: Bemerkgn. zur Karte der Eisenbahndichtigkeit im Deutschen Reiche und
über statistisch-geogr. Karten überhaupt. Z. f. wiss. Geogr. IV. Wien 1883, S. 64. Karte 1.1.
3 M. Eckert: Eisenbahndichte der Erde. Leitfaden der Handelsgeogr. 3. Aufl. Leipzig
1911, S. 72. — Auch reproduziert bei K. Hassert: Allgemeine Verkehrsgeogr. Berlin u. Leipzig
1913, S. 129.