Bausteine und allgemeine Richtlinien für naturhistorische Karten. ¿29
destiniert. Da auch die geologische Karte Flächendeckung erstrebt und des weitern
Vergleiche zwischen Ausdehnung und Größe von Formationen anregt, muß sie in
ein flächentreues Gewand gekleidet werden. Bei ihr ist die richtige Auswahl schon
akut geworden, weshalb wir ihr später noch ausführlichere Worte widmen wollen.
Wie steht es mit den Isothermen-, Isobaren-, Isohyeten-, Isonephen-, Iso-
klinen- und verwandten Übersichtskarten der Erde oder größerer Landgebiete?
Oberflächlich scheint bei ihnen die Projektionswahl jeglicher Kritik bar zu sein,
mit Ausnahme der Isonephen- und Isohyetenkarten, wo man gelegentlich auf
flächentreue Entwürfe stößt. Von den drei übrig bleibenden Kartenarten verweise
ich die Isothermenkarten in die Kategorie der flächentreuen, die Isobarenkarten
je nach dem Gebrauch durch den Geographen oder Nautiker zu den flächentreuen,
bzw. winkeltreuen Karten; die erdmagnetischen Karten verbleiben in der über
wiegenden Mehrzahl bei der Mercatorprojektion.' A. Philippson ist der Überzeugung,
daß die Mercatorprojektion vorzugsweise für die Isothermen- und verwandte Karten
sei, weil darauf „der richtige Verlauf zu den Breiten- und Längenkreisen die Haupt
sache ist“. 1 ) Das wäre richtig, wenn die Isothermen tatsächlich absolute und keine
relativen Werte brächten. Wichtiger als die Linie an sich erscheint mir die Fläche,
die jene repräsentieren will, was ich später noch nachweisen werde. — Wie drängen
sich dem Beschauer auf einer Mercatorkarte die breit ausgedehnten kalten Zonen
der Nordkontinente auf! Wenn sie so in Wirklichkeit beschaffen wären, würde das
Klima unserer Erde einen andern Charakter tragen, vor allem mit einem borealen
Einschlag, der sich im ganzen Leben und Weben unsers Erdballs empfindlich bemerk
bar machen würde. Die Kenntnis und Veranschaulichung der Erwärmung unsers
Erdballs, die von den gewaltigen Tropen und Subtropen ausgeht, wird durch die
Mercatorkarte nicht gefördert; „es ist eine der wichtigsten physikalischen Tatsachen
und auch für die Entwicklung des Menschengeschlechtes von weitest tragender Be
deutung, daß fast die ganze nördliche gemäßigte und kalte Zone wärmer ist als ihr
der Breite nach zukommt, und daß die heiße Zone, vor allem die südliche, diesen
uns so erwünschten Wärmezuschuß deckt.“ 1 2 Und sind die Klimazonen die Zonen
der Sonnenbestrahlung, dann muß man schon von der Karte erwarten, daß sie die
Wiederspieglung äquivalenter Flächen ermöglicht. A. Philippsons merkwürdige
Vorliebe für die Mercatorprojektion spricht sich auch in den Karten der Wärmegürtel
und der Übersicht der Klimaprovinzen aus, die er dem ersten Band seiner Grundzüge
der Allgemeinen Geographie (1921) beigegeben hat. Beispielsweise erscheint auf der
Karte der Klimaprovinzen die Europäische Klimaprovinz (Nr. 7) rund viermal so
groß wie die Amazonenstrom-Provinz (Nr. 42) oder die Ivampos-Provinz (Nr. 54),
während diese Provinzen in Wirklichkeit der europäischen an Größe nichts nachgeben.
Und gerade bei den Klimaprovinzen erscheint doch die Wahl einer flächentreuen
Projektion außer Zweifel, wie auch E. de Martonne und W. Koppen durch ihre
Klimakarten bewiesen haben. Ein anderes Beispiel sei noch erwähnt. Blicken wir
in Berghaus’ Physikalischem Atlas auf die Karte der Januar-Isothermen, sehen wir
ein Wärmemaximum in Afrika, das von der Isotherme 30° C Umrissen und durch
den Äquator halbiert wird, ferner ein Kältemaximum, das sich um Werchochansk
lagert und von der — 40°-Isotherme umschlossen wird. Auf der Karte erscheint es
1 A. Philippson: Grundzüge der allgemeinen Geographie. I. Leipzig 1921, >S. 80, 120.
2 A. Supan, a. a. O., S. 89.