Die hydrographischen Karten.
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logische Karten genannt. Aus der großen Gruppe der hydrographischen Karten
scheiden wir die hydrologischen aus. Sie untersuchen und stellen Teilstücke eines
Flußsystems oder Flusses dar, die teils durch ihre Natur, teils in wirtschaftlicher
Beziehung beachtenswert sind. Unter den natürlichen Phänomena hat seit mehreren
Jahrhunderten die Bifurkation die Aufmerksamkeit der Gelehrten- wie der Laien
welt auf sich gezogen. In der Geschichte der Wissenschaften hat die Gabelteilung
(richtiger Wassermischung, wie wir gleich noch sehen werden) zwischen Orinoco und
Bio Negro durch den Casiquiare eine gewisse Berühmtheit. Ph. Buache hatte sie als
eine geographische Mißgeburt „monstruosité géographique“ abgelehnt, bis erst die
astronomisch-geographischen Beobachtungen Al. v. Humboldts, die er auf seiner
mit Aimé Bonpland unternommenen Reise angestellt hatte, ihr Dasein außer Zweifel
setzte. Seine Karte über das fragliche Gebiet ist im halben Maßstab im alten Berghaus
wiedergegeben. 1
Bifurkationen und verwandte Bildungen sind in großer Anzahl auf Erden vor
handen. Viele sind uns noch unbekannt, insonderheit die unterirdischen Wasser
teilungen und Flußmischungen, die nur durch sorgfältigste Beobachtung in kleinen
Gebieten festgelegt werden können. 1 2 Die physikalischen Atlanten legen auf die Dar
stellung einzelner bemerkenswerter Flußgabelungen besonders großen Wert. 3 Leider
herrscht in der Terminologie dieser Naturphänomene ein Wirrwarr, der längst beseitigt
sein müßte; man spricht beispielsweise von Gabelung, wo es sich um einfache Wasser
scheidung handelt usf. Hier ist das Kartenbild mit dazu berufen, Klarheit zu schaffen.
Streng ist zu unterscheiden zwischen Wasserscheidung (Aquadisjunktion), Wasser
mischung (Aquamixtion) und Wassergabelung (Aquafurkation) oder kurz von Wasser
scheidung (Disjunktion), Flußmischung (Mixtion) und Gabelung (Furkation).
Die Wasserscheidung tritt nur im Quellgebiet benachbarter Ströme auf, wenn
das Wasser des Quellgebietes sowohl dem einen wie dem andern Stromsystem zu
fließt. Hierher gehört die Wasserteilung zwischen Severn- und Winnipeg-See,
auch die zeitweise Wasserteilung des Manvtsch. Unter dem Typus der Flußmischung
fallen der Casiquiare, der das Wasser zwischen Orinoco und Bio Negro mischt, die
Flüsse des Zwei-Ozeanpasses im obern Yellowstone-Gebiet. 4 Die Flußmischung'en
vermehren sich zur Regenzeit und bei Überschwemmungen. Die Gabelung tritt
da ein, wo sich der Fluß teilt und eine oder mehrere Inseln innerhalb des Laufes
oder bei der Mündung, im Delta, bildet. Die Donau bildet zwischen Preßburg und
Komorn eine Gabelung und schließt die Schüttinsel ein; durch die Gabelung des
Araguaya wird die Insel Bananal gebildet. Der Gabelung darf man zwei andere Fälle
zugesellen. Wenn zwei oder mehrere Flüsse einen gemeinsamen Mündungsarm be
sitzen, entsteht eine Gabel, wie die Riesengabel des Euphrat und Tigris. Umgekehrt
kann der Steillauf den gemeinsamen Teil und der Flachlauf zur Gabel führen, wie
1 Heinr. Berghaus: Physik. Atlas. I. Gotha 1845. II. Abteilung. Hydrographie. Nr. 9.
2 z. B. das Wasserscheidungsgebiet auf dem Gottesackerplateau zwischen Iller-Donau-Fluß-
gebiet und Bodensee-Rheingebiet. Vgl. M. Eckert: Das Gottesackerplateau, ein Karrenfeld im
Allgäu. Wiss. Ergh. z. Z. d. D. u. Ö. Alp-Ver. 1. 3. Heft. Innsbruck 1902. S. 18. — Eine wichtige
Untersuchung über unterirdische Flußmischungen ist die von Karl Thür na u: Der Zusammenhang
der Rhumequelle mit der Oder und Sieber. Diss. Hannover. Berlin 1913. Mit reichem Karten
material.
3 Vgl. H. Berghaus: Physik. Atlas. Gotha 1892. Nr. 16 u. 17.
4 Siehe das Kärtchen im II. Bande von Fr. Ratzel: Die Erde u. das Leben. Leipzig u. Mien
1902, S. 133.