Die hydrographischen Karten.
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erdhälfte und 87 Seen der Westerdhälfte sind in dem Maßstab 1:11000000 neben
einander in nördlicher Orientierung gestellt. Den Vergleich finde ich vorzüglich;
nur zweierlei ist daran auszusetzen, erstens, daß das Kartenblatt nicht in größerm
Maßstab gezeichnet ist und zweitens, daß man es nirgends wiederholt und verbessert
vorfindet. Die betrübende Erscheinung ist nicht neu, daß alte gute, selbst didaktisch
wichtige Winke und Wege in der neuern Zeit verlassen oder vergessen werden, ohne
etwas Besseres an deren Stelle zu setzen.
Die Größe der Jahreszeitenseen, wie des intermittierenden Zirknitzer Sees bei
Adelsberg in Krain, wird am besten durch besondere Grenzen wiedergegeben. Für
die periodisch auftretenden Flüsse (Wadis) und Seen haben die großen Handatlanten
die Doppelstrichel-Signatur (S. 288). Sind Seen in historischer Zeit erloschen, sind
sie am besten im alten Umfang in punktierter Linie auf dem Kartenbild wieder
zugeben. Auf Atlaskarten wäre es angebracht, wenn beispielsweise der ehemalige
Bonneville-See, dessen Überbleibsel wir im Great Salt-Lake erblicken, in seiner
frühem Ausdehnung markiert würde. Seen und Sümpfe erinnern zumeist an das
Vorhandensein alter Seebecken; darum ist auf ihre Wiedergabe große Sorgfalt zu legen.
Den Karten ist es möglich, auch die Beschaffenheit des Wassers zu kenn
zeichnen, entweder durch die Farbe oder besondere Signaturen. In der Hauptsache 1
handelt es sich um die Unterscheidung von Süß- und Salzwasserseen. A. F. Stahl
ist mit seiner Karte des Deltagebietes der Flüsse Ural, Sagis und Emba mustergültig
vorgegangen 1 , worauf er mit Hellviolett die Salzseen unterscheidet, die im Früh
jahr Abfluß zum Meere haben, mit Dunkelviolett, die im Frühjahr keinen Abfluß
haben, mit Blau Süßwasserseen und mit Grün Salzseen mit sedimentärem Salz. Es
wäre zu empfehlen, diese Unterscheidung auf Atlaskarten zu übertragen, wenn dem
auch entgegenzustehen scheint, daß verschiedene Seen mit der Zeit versalzen, andere
hinwiederum aussüßen. Immerhin umfaßt der ganze Prozeß einen längern Zeitraum,
so daß Neuauflagen der Handatlanten ihm bequem Bechnung zu tragen vermögen.
Über einen Punkt der Seenkunde schweigen sich leider die Karten fast vollkommen
aus, nämlich über die Genesis der Seen. Nach dieser Dichtung aus der Karte
Schlüsse ziehen zu wollen, heißt die Kraft der Karte überschätzen, wenigstens in
dem Gewände, in dem sie uns heute erscheint. Ich kann mir wohl denken, daß einmal
eine Zeit kommen wird, wo die Entstehung der Seen im Kartenbild durch besondere
Signaturen zum Ausdruck gebracht wird. Heute ist es schwer, unter Umständen
ganz unmöglich, lediglich aus der Karte auf ein Eintiefungsbecken oder Aufschüttungs
becken oder gar auf ein Wall- oder Dammbecken schließen zu wollen. Den Verwerfungs
see von dem Einsturzsee zu unterscheiden, gelingt dem heutigen Kartenbild gleich
falls nicht. Obwohl die Karten 1:100000 und 1:25000 die Maare und Kraterseen der
Eifel so genau wie möglich bringen, ist es dennoch nicht möglich, ohne genauere
Kenntnis der Örtlichkeit zu entscheiden, was ist nach der Karte ein Maar oder ein
echter Kratersee. Hat man die Tiefen zur Hand, noch besser die Isobathen, dann kann
man schon einigermaßen auf die richtige Fährte geführt werden. Wenn z. B. die
finnischen Seen, insonderheit die des Südens, nicht die 100 m-Tiefenstufe erreichen,
verstärkt sich die Annahme, daß sie Ausräumungsbecken der diluvialen Gletscher
sind. Ob die Gebirgsseen echte Felsbecken oder Moränenseen sind, sagt uns auch die
mit Tiefenangaben ausgestattete Seenkarte nicht. Wer sich zur Theorie der Relikten-
1 A. F. Stahl i. P. M. 1901, T. 9. Die Karte in 1: 1200000.
Eckert, Kartenwissenschaft. II.