Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die anorganische Welt im Kartenbild. 
einzdfangen. Ganz neue Kartennetze müssen konstruiert werden, daran hat sich 
bis jetzt noch niemand gewagt. Vielleicht sind wir dieses Versuches ganz überhoben, 
wenn die Wegenersche Abschwemmungs- oder Verschiebungstheorie mehr Fuß faßt; 
sie rechnet nicht wie die Kontraktionshypothese mit einer Einschrumpfung der Erd 
gestalt und nimmt die gegenwärtige als eine Jahrmillionen feststehende Größe an. 
Dann hätte die Anwendung der Projektionen vom Erdball der Gegenwart (nicht der 
Jetztzeit!) 1 nichts Anachronistisches mehr. 
Bei den paläogeographischen Erdkarten herrschte bis ins erste Dezennium des 
neuen Jahrhunderts die Mercatorprojektion vor. Man wußte eben nichts anderes, 
obwohl die Bearbeiter der Karten hätten aufstützig werden müssen, auf eine Karte, 
die von vornherein falsche Flächen gibt, ein Bild zu zaubern, dessen Bichtigkeit doch 
mancherlei Zweifeln unterworfen ist. So kompensierten sich nicht zwei Fehlerquellen, 
im Gegenteil, sie steigerten in corpore die Bedenklichkeit des ganzen Kartenbildes. 
Fast alle Verfasser von paläogeographischen Übersichtskarten bis zur neuesten Zeit 
geben mit wenigen glänzenden Ausnahmen abschreckende Beispiele dafür. Alle 
Karten, die sich der Mercatorprojektion bedienen, kranken eben an der unerquicklichen 
Flächenfälschung. Die Mercatorprojektion ist, wie wir wissen, für andere Zwecke 
von Mercator geschaffen worden. Für paläogeographische Karten ist einzig 
und allein das flächentreue Netz die gegebene Projektion. Hie und 
da kann eine kleine Ausnahme statthaben, wenn man beispielsweise mit einem kreis 
förmigen Umfang das gesamte Erdbild umfassen will, wenigstens das, soweit es sich 
in der Landhalbkugel wiedergibt. Aber weder Lamberts flächentreues Erdbild 1 2 noch 
ein Entwurf von Grinten 3 ist geeignet, wohl hätte man recht gut für paläogeographische 
Zwecke auf H. James Entwurf zurückgreifen können, der innerhalb eines Kreis 
umfangs nahezu zwei Drittel der Erdoberfläche umfaßt. 4 Das konnte allerdings nur 
der Projektionstheoretiker wissen. Es wären dann sicherlich nicht solche Bilder ent 
standen, wie sie Fr. Kossmat seiner kleinen Paläogeographie beigegeben hat 5 6 , die 
auf einem zwischenständigen, winkeltreuen sog. stereographischen Planiglobenbild 
(Landhalbkugel) die Festländer zu vereinigen suchen, wobei aber der Kreis zweimal 
durchbrochen wird, im SW durch das südamerikanische Euter und im NW durch 
die asiatische Eiterbeule. Hier wäre der Entwurf von James am Platze gewesen. 
Dacqué findet die von Kossmat angewandte Projektion ähnlich der, vie sie Lap- 
parent gebrauchte. Die Ähnlichkeit besteht aber nur insofern, als beide zwischen 
ständige Projektionen sind, um Landhalbkugelbilder zu erhalten, im übrigen besteht 
zwischen beiden ein Unterschied wie Tag und Nacht. Dort wird eine jahrhundert alte 
und veraltete winkeltreue Projektion gebraucht, hier eine neuere flächentreue nach 
J. H. Lambert. Lapparent als ein sehr kritischer Kopf sah mit der Zeit ein, daß 
die Erdbilder, wie er sie in den ersten Auflagen seines Traité de géologie in Mereator- 
1 „Jetztzeit“ eine gräßliche moderne Wortbildung, so recht bezeichnend für unsere ohrlose 
Zeit. Wenn der Germanist Hildebrand, der den K-Band des Grimmschen Wörterbuchs bearbeitet 
hat, das noch hören könnte, würde er wohl jedem, der dies Wort in seiner Gegenwart gebraucht hätte, 
die Türe gewiesen haben. 
2 Auch abgebildet bei E. Dacqué: Grundlagen, a. a. O., S. 374. 
3 Vgl. M. Eckert: Die Kartenwissenschaft, I. S. 168. 
4 H. Berghaus: Üb. H. James u. J. Babinets Entwurfskarten f. die Planigloben. P. M. 
1858, S. 63. 
6 Fr. Kossmat: Paläogeographie. Geol. Geschichte der Meere u. Festländer. Sammlg. 
Göschen Nr. 406. 2. Aufl. Berlin u. Leipzig 1916. Mit 6 Karten.
	        
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