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Die anorganische Welt im Kartenbild.
Außerdem bringt sie noch in roter Schraffur die Hebung der Küste als eine Folge
erscheinung der Erdbeben. Haben diese Karten unter Umständen mehr Bedeutung
für den Seismologen und Geologen als für den Geographen, ist hinwiederum die Dar
stellung der Veränderung der Erdoberfläche (in Brüchen, verschieden geformten
Spalten und Löchern) und der Verwüstung von Kulturwerten und -werken durch
die Erdbeben von größtem geographischen Interesse. In dieser Richtung finden
wir noch schwache kartographische Anfänge, was leicht erklärlich ist, da die Auf
zeichnungen hierüber spärlich fließen. Dagegen reicht die rein bildliche Wiedergabe
von Zerstörungen durch Erdbeben Jahrhunderte zurück. 1 Mit besonderer Aufmerksam
keit betrachten wir das Kartenbild, das uns K. Sapper von ,,der Ausbreitung des
Erdbebens von Guatemala am 18. April 1902“ mit dem Materialschaden gezeichnet
hat 1 2 , worauf in vier farbigen Stufen die Gebiete mit schwerem, mittlerm, leichtem
und keinem Materialschaden (aber Erdbeben verspürt) unterschieden werden. Und
doch hat Sapper hierin einen großen Vorgänger gehabt, und zwar in Aug. Petermann,
der nach Otto Volgers Untersuchungen eine „Karte der wichtigsten habituellen Stoß
gebiete in Central-Europa“ gezeichnet hatte 3 , wobei es in der Hauptsache auf die
geographische Ausdehnung und die Wirkung des Erdbebens von Visp am 25. Juli 1855
ankam. Durch schwarze und braune Töne und Schraffur werden fünf Beschädigungs
grade zum Ausdruck gebracht. 4 Das gewaltige, verheerende Erdbeben in Japan
am 1. September 1928 dürfte neue derartige Karten zeitigen.
Die seismologische Karte ist — was wir heute darunter verstehen — ein Kind
der neuesten Zeit. Sie trägt naturgemäß die Licht- und Schattenseiten einer Neu
erscheinung. Ihr fehlen vor allem noch viele und sichere Beobachtungen aus weniger
kultivierten Ländern. Was in Einzelkarten bisher nur schüchtern darzustellen ver
sucht wird, muß über die gesamte Erde hin verfolgt und kartiert werden. Denn der
Karte ist es möglich, Richtungslinien und Klarheit in die Erkenntnis des Phänomens
zu bringen, eben weil sie die verschiedensten Eigenschaften und Wirkungsäußerungen
der Erdbeben zu veranschaulichen vermag, ganz gleich, ob sie örtlicher, zeitlicher
und damit periodischer, genetischer, motorischer und energetischer Natur sind.
Um die Darstellung der Seebeben haben sich insbesondere E. Rudolph und
W. Krebs Verdienste erworben. Die von letzterm entworfene Übersichtskarte der
seebebenartigen Erscheinungen 5 schließt sich in ihrem Äußern an die ältere an, die
Rudolph der ersten seiner grundlegenden Arbeiten in Gerlands Beiträgen zur Geo
physik beigegeben hat. Rote Punkte bedeuten Seebeben, rote Ringel submarine
Eruptionen; gestiichelte Signaturen deuten auf Erdbeben- und Eruptionsfluten.
1 Vgl. die Entstellung des Monte Nuovo i. J. 1538 bei Marc. Antonio delli FalconR Dell’
incendio di Puzzuolo. Neapel 1538. — Der Holzschnitt wiedergegeben bei A. Sieberg: Handb. d.
Erdbebenkunde. Braunschweig 1904, S. 105. — Siehe auch E. Sueß: Das Antlitz der Erde. II.
Prag, Wien, Leipzig 1888, S. 482.
2 K. Sapper i. P. M. 1902, T. 17.
3 A. Petermann i. P. M. 1856, T. 6.
4 Schwarz zeigt das Gebiet der stärksten Verheerung an, woselbst ganze Häuser, Kirchen usw.
einstürzten; Braun mit schwarzer Schraffur das Gebiet, innerhalb dessen noch die festesten
Teile der Gebäude beschädigt wurden; Braun die Gebiete, wo die Erschütterung vielfache leichte
Beschädigung hervorrief; starke braune Schraffur die Gebiete, wo die Erschütterung einzelne
geringe Beschädigungen an Gebäuden hervorrief; und feine braune Schraffur die Gebiete, wo
die Erschütterung unzweifelhaft gefühlt worden ist.
5 W. Krebs i. Globus LXXXVI, 1904. K. I. 1: 80000000.