Terrenergetische Karten.
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der mathematischen Mitte liegen. Da, wo sie sich berühren würden, im vorliegenden
Falle beim 90° ö. L., sind sie gleichsam aneinander gepreßt, so daß die Berührung
nicht mehr in einem Punkte, sondern in einer Linie erfolgt, die 180 Grade umfaßt.
Wie ich bei meinen flächentreuen Projektionen den Polpunkt zu einer Linie von
180 Grad Länge (im Verhältnis zum Äquator) erweiterte, so Maurer den Berührungs
punkt. Er gewinnt auf diese Weise die Kugeloberfläche als eine zusammenhängende
endliche Fläche, also nicht mehr in zwei getrennten Halbkugeldarstellungen. Wohl
sind die Polpunkte aus der mathematischen Mitte gerückt, immerhin zentral genug,
daß sie wie ihre Umgebung noch weit vom Kartenrand weggerückt sind. In ihrer
Nähe wie in den Gebieten der Pressung der Projektion bewahren die Kontinente eine
ganz leidliche Form, dagegen ist Südamerika unförmig ausgewachsen. Darüber kann
man liinwegsehen, wenn man der Vorteile gedenkt, die die Projektion eben für die
Veranschaulichung und Erklärung des Wesens und Verlaufs der Isogonen hat.
Zu der gleichen Frage nimmt in demselben Jahrgang von Petermanns Geo
graphischen Mitteilungen H. Wehner das Wort, ohne jedoch das Problem gefördert
zu haben. 1 Er gibt mit seinem Kartenbild weiter nichts als eine polständige winkel-
treue Projektion der Nordpol- und Südpolhalbe, die er noch etwas über den Äquator
hinaus vergrößert, soweit es der Kartenrahmen zuläßt. Das ist keine Lösung des
Problems, wie wir sie bei Maurer sehen. Maurers Netz basiert gleichfalls auf der
stereographischen Projektion, die bei den berührenden Seiten nicht unerheblich
modifiziert wird und ihrer Winkeltreue verlustig geht. Damit eröffnet sich eine Reihe
projektionstechnischer Untersuchungen, an die Maurer nicht gedacht hat. Und
zwar wäre zu untersuchen, welches Netz, das winkel- oder flächen- oder speichentreue,
für dewtig zusammengebackene Erdhalben, wie sie bei Maurer vorliegen, am
geeignetsten ist, d. h. am wenigsten das Erdbild verzerrt. Die Indikatrix kann hier
wenig Aufschluß geben. Auch die geeignete Länge der Berührungslinie wäre zu
untersuchen. Für vorgesehene Zwecke schwebt mir auch die polykonische Projektion
der amerikanischen Küstenvermessung von 1856 vor 1 2 , da sie die Länder am Rand
gebiet nicht in der Weise verzerrt wie der Maurersche Entwurf, und dem gesamten
Kartenbild überhaupt einen schicklichem Umriß gibt. Ich kann mir sogar vorstellen,
daß die rechtschnittige kreisförmige Erdkarte, wie sie van den Grinten konstruiert
hat, so modifiziert werden kann, daß die Pole vom Rande des Kreises ins Kartenbild
hineinrücken und vom 80. Parallel vollständig umkreist werden. Die Rechtschnittig-
keit ginge allerdings von den Tropen aus allmählich nach den Polen zu verloren, dafür
würde die Gestalt der Erdteile halbwegs gewahrt bleiben.
127. Zur Genesis der erdmagnetisehen Karte. Für die Geschichte der erd
magnetischen oder kurzweg magnetischen Karten besitzen wir einen wertvollen
Beitrag in der Magnetischen Kartographie in historisch-kritischer Darstellung von
G. He 11 mann. 3 Die Geschichte wird mit einer Ausführlichkeit und Gründlichkeit
1 H. Wehner: Geeignete Kartenproj. z. Darstellung der erdmagnetischen Elemente. P. M.
1911, II, S. 351. Dazugehörige K. auf T. 48.
2 Vgl. das Erdbild, das als Nr. 26 im Atlas zur Landkartenentwurfslehre von G. Wenz,
München 1885, erscheint.
3 G. Hellmann: Magnetische Kartographie in historisch-kritischer Darstellung. Veröffent
lichungen d. Kgl. Preuß. Meteorol. Instituts, Nr. 215. Abh. Bd. III, Nr. 3. Berlin 1909. (Mit sehr
ausführlichem Verzeichnis der magnetischen Karten bis 1910.) — Vgl. auch K. Haußmann: üb.
magnet. Kartographie i. P. M. 1910, II, S. 201.