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Die anorganische Welt im Kartenbild.
ein Ergebnis der magnetischen Landesvermessungen, wie sie in jedem bedeutenden
Kulturstaat bereits ausgeführt werden (S. 320).
Je größer die Vermehrung der magnetischen Stationen in einem Lande desto
genauer die magnetische Landesaufnahme und desto genauer das Kurvensystem.
Man vergleiche nur die neuen magnetischen Karten Deutschlands von K. Haußmann
mit der Erdkarte, die das Reichsmarineamt mit den Linien gleicher Mißweisung für
1917 herausgegeben hat. 1 Die glatten, schönen Kurven in idealem Parallelismus,
die die Gausssche Potentialtheorie zu stützen scheinen, mußten einem auffällig ver
zwickten Laufe weichen. G. Hellmann gibt dafür ein treffendes Beispiel, indem er
die Isogonen Frankreichs für 1885 nach Beobachtungen von 80 Stationen und für
1896 nach Beobachtungen von 617 Stationen im Bilde gegenüberstellt. 1 2 Dies be
stärkt ihn, von den Karten, die lediglich nach der Gaussschen Potentialtheorie kon
struiert sind, nicht allzuviel zu halten, weil sie, wie er betont, den Wert der magne
tischen Elemente den stark ausgeglichenen Kurven entnommen haben, anstatt von
wirklich beobachteten Werten auszugehen. Zugleich ist ihm die Art und Weise der
Gewinnung der Kurven ein gewichtiger Einteilungsgrund der magnetischen Karten.
Er unterscheidet die theoretisch konstruierten und die nach Beobachtung
konstruierten Karten. Diese füllen allein in seinem mitgeteilten Karten Verzeichnis
28 Seiten aus, jene dagegen nur anderthalb. Zu letztem rechnet er außer den Karten
von Gauss und Weber z. B. den Atlas des Erdmagnetismus von H. Fritsche,
dessen einzelne Karten für die Epochen 1600, 1700, 1780, 1842 und 1915 konstruiert
sind. 3 Dies Atlaswerk scheint Hellmann nicht ganz richtig eingeschätzt zu haben.
Die säkularen Änderungen der erdmagnetischen Elemente auf lange Zeiträume und
für die gesamte Erde können nicht mittels Beobachtungen allein bestimmt werden
— Fritsche hat sie nach Möglichkeit berücksichtigt —, und man wird dabei die von
Gauss 1838 aufgestellte Theorie des Erdmagnetismus nicht umgehen können, weil
die Zahl der Beobachtungsorte auf die Erdoberfläche immer noch gering ist und die
Orte unregelmäßig verteilt sind. Zu dem kommen die vielfachen Mängel, mit denen
die magnetischen Aufnahmen behaftet sind. Hellmann selbst zählt ihrer fünf auf,
die die Genauigkeit der magnetischen Karten beeinträchtigen: die Fehler der magne
tischen Messungen, der zugehörigen Ortsbestimmungen, der Reduktion wegen der
erdmagnetischen Variationen und auf die gemeinsame Epoche, ferner die Unzulänglich
keit des Beobachtungsmaterials und die Methode der Darstellung. 4
Die Fehler in der Konstruktion erdmagnetischer Karten und die darauf basierenden
Kontroversen geben der erdmagnetischen Forschung immer wieder Anregungen und
neue Impulse, „und wenn man auch nicht hoffen darf, in absehbarer Zeit so weit zu
kommen, daß man die wahren isomagnetischen Linien auf dem gesamten Festland
oder gar auf der ganzen Erdoberfläche entwerfen kann, so sollten doch wenigstens
alle Kulturländer dieses Ziel für sich zu erreichen bestrebt sein und es in ihrem Kolonial
1 Die Karte ist im Maßstab 1: 80000000 entworfen, wie auch die beiden andern vom Reichs
marineamt herausgegebenen Karten mit den Linien gleicher magnetischer Inklination für 1905 und
mit den Linien gleicher magnetischer Horizontal-Intensität für 1905.
2 G. Hellmann, a. a. O., S. 24 u. 25.
3 H. Fritsche: Atlas, s. oben. Riga 1903. 15 K. — Die säkularen Änderungen der erd
magnetischen Elemente. Mit 4 Isogonenk. des Mittelmeergebiets f. d. Epochen 1200, 1300, 1400
u. 1500. Riga 1910. — Die erdmagnetische Deklination um d. J. 1500. Mit 1 Isogonenk. f. d. Epoche
1600. P. M. 1912, II, K. S. 20.
4 G. Hellmann, a. O., S. 18—27.