Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

832 Die anorganische Welt im Kartenbild. 
Archipels. 1 Für sie einen kartographischen Ausdruck zu finden, ist aber erst in neuerer 
Zeit von L. Henkel versucht worden. 1 2 Als Vorwurf zu seiner Karte diente ihm das 
gesamte Mittelmeergebiet. Beim Anblick der Karte ist man geradezu überrascht, 
wie ausgedehnt die Region ist, in der das Land sichtbar ist; im Agäischen Meere, dem 
altklassischen Boden der Küstenschiffahrt, gibt es keine einzige Stelle, von der kein 
Land zu sehen ist; die Phönizier konnten in Sicht von Landmarken von Tyrus bis 
nach Massilia oder zu den Herculis columnae und darüber hinaus segeln. Wie Flach 
küste und Steilküste auf den Verlauf der Sichtbarkeitgrenze wirken, zeigt auffallend 
das Schwarze Meer, wo im Anblick der gebirgigen Ost- und Südufer die Grenze weit 
ins Meer hinausgeschoben ist, dagegen an der flachen Nordküste, besonders im Asow- 
schen Meere, sich nicht allzuweit von der Küstenlinie entfernt. 
Die Sichtbarkeit wird nach der Formel 8,8 ]/A km berechnet, wobei h die Meter 
höhe eines Gegenstands in bezug auf das Meeresniveau ist. Zu bedauern ist, daß 
der Henkelsche Versuch bis jetzt vereinsamt dasteht. Er müßte für alle wirtschafts- 
und verkehrstätigen Küsten wiederholt werden. Eigentlich scheidet sich an der 
Sichtbarkeitgrenze die Küstenschiffahrt von der Hochseefahrt. Handelt es sich 
zunächst um theoretische Kartenkonstruktionen, wäre es doch ein leichtes für die 
Schiffahrt, die Richtigkeit der theoretisch aufgebauten Sichtbarkeitkarten durch 
die Praxis zu kontrollieren und zu verbessern. 
L. Henkel hat seiner Sichtbarkeit karte eine andere beigefügt, die die Sicht 
weiten einiger bemerkenswerter Höhen im griechischen Archipel gibt, wie des Olymp, 
des Athos, des Ocha auf Euböa, des Ida auf Kreta, des Atabyrios auf Rhodos u. a. m. 
Die Gipfel dieser Berge sind die Mittelpunkte der Sichtbarkeitkreise, die über einer 
physikalischen Kartenunterlage konstruiert sind. Die Zeichnung erinnert an die See 
karten, auf denen durch Kreise die Sichtbarkeit der Leuchttürme, der Feuerschiffe 
und sonstiger Lichtzeichen wiedergegeben ist. Zur Ergänzung der erstgenannten 
Karte von Henkel ist die Sichtweitenkarte wohl geeignet, für sich allein verliert 
sie an Wert. 
Bei der Bestimmung und Kartierung der Sichtbarkeitgrenze denkt man un 
willkürlich an das Meer. Aber nicht bloß für Küstengebiete, auch für markante 
binnenländische Erhebungen, wie für das Matterhorn, Groß-Glöckner, Groß- 
Venediger usw. hat man die Sichtbarkeitgrenze errechnet. Der kartographische 
Effekt bestand lediglich darin, mit einem Kreise auf irgendeiner geeigneten Karte die 
theoretische Sichtbarkeit festzulegen. Kartographisch tiefer in das Problem ein 
zudringen lag keine Veranlassung vor. Da hat der letzte Weltkrieg erst wieder eine 
Wandlung herbeigeführt und Sichtkarten geschaffen, an deren Herstellung bisher 
niemand gedacht hatte. Sie stellten auf einer großmaßstabigen Karte die Gebiete 
im kupierten Gelände dar, die vom feindlichen Beobachtungsballon (der meist in 
der Höhe von 1000 m stand) nicht eingesehen werden konnten, die mithin die 
sogenannten „toten Räume“ zeigten. Man nennt sie darüm richtiger Landeinsicht- 
als Sichtbarkeitkarten. Auf ihnen wurden außerdem die Stellen hervorgehoben, 
die besonders unter feindlichem Feuer lagen. Wichtig war für die in Feuerstellung 
gehende Truppe, die Stellen zu wissen, wo sie von keinem feindlichen Ballonbeobachter 
1 C. Neu mann u. J. Partsch: Physik. Geogr. v. Griechenland m. bes. Berücksicht, auf d. 
Altertum. Breslau 1885, S. 147, 148. 
2 L. Henkel: Die Grenze der Sichtbarkeit des Landes auf dem Meere. P. M. 1901, S. 284, 
285. Dazu 2 K. in 1 : 15000000 u. 1 : 3700000 auf T. 21.
	        
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