Die klimatographischen Karten.
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die Gefahr hin, nicht viel Neues bieten zu können. Die Grundsätze, die J. Hann
in den Vorbemerkungen zu seinen Karten in H. Bergbaus’ Physikalischem Atlas 1
vor länger als einem Menschenalter niederlegte, sind heute noch nicht veraltet und
können heute noch zur Kegel und Richtschnur für die Bearbeitung isothermisch
kartographischer Probleme dienen. Die Isothermen oder Wärmelinien werden ge
wöhnlich als Linien definiert, die Orte von gleicher mittlerer Jahreswärme verbinden.
Man sagt auch, die Isothermen sind Linien gleicher mittlerer Lufttemperatur. Das
ist die allgemeinste und jedenfalls praktischste Definition, wie wir gleich noch er
kennen werden. J. Hann sagt: ,,Die Isothermen sollen die Temperaturverteilung
an der Erdoberfläche während eines bestimmten Zeitabschnitts zur Anschauung
bringen.“ Das klingt teils allgemeiner, teils einschränkender. Er spricht nicht von
einem Jahre, sondern von einem Zeitabschnitt, der einen Monat, mehrere Monate,
ein Jahr, mehrere Jahre umfassen kann. Das ist richtig; Pflicht ist es, auf der Karte,
wie es zumeist auch geschieht, die betreffende Zeitspanne klar auszudrücken.
Die Wärmeverteilung erfolgt auf der Erde sowohl in horizontaler wie vertikaler
Richtung. Die Kartierung der erstem ist leichter, da sie sich verhältnismäßig
gut nachweisen läßt und gewisse Konstanten befolgt; die der andern ist schwieriger,
da sie nicht bloß mit der Erhebung des Landes zu rechnen hat, sondern auch mit
der gesamten orographischen Gliederung (Luv- und Leeseite), ferner mit der in einigen
Gegenden verschieden schnell wachsenden Erwärmung während der Regenzeit und
der Trockenzeit. Weiterhin ist ein beachtenswertes Moment, daß die Wärmeänderung
in vertikaler Richtung rascher als in horizontaler vor sich geht. Beide bei der Karten
darstellung zu berücksichtigen, machen die Aufgabe kompliziert und verwirren das
Bild. Darum suchte Hann die vertikale Wärmeänderung auf seinen Isothermen
karten tunlichst auszuschalten. Um dies Ziel zu erreichen, schien es ihm angebracht,
bei der Bestimmung des Isothermenverlaufs im Landinnern lediglich die Beobachtungen
der Talstationen zu benutzen, da sie offenbar den Extremen der Wärme Verteilung
nicht in dem Grade wie die der Höhenstationen ausgesetzt sind. Das alles geschah
im Hinblick auf die Reduktion der Beobachtungen auf das Meeresniveau, weil ihn
die Überzeugung leitete, daß er ausnahmslos auf dem eingeschlagenen Wege ein gut
vergleichbares Bild über die gesamte Erde hin erhalte.
Ein Einblick in die Gewinnung der mittlern Temperatur erhellt, daß das Gesetz,
nach dem die Isothermenkurven gestaltet werden, äußerst verwickelt ist. Die Vinde,
die Wärmekapazität des Meeres, die Meeresströmungen, die Bildung bzw. Umbildung
der Erdrinde, Polareis, Landgewässer, Sümpfe, Moräste, Wüsten und Grasfluren,
Wälder, Anbau und Kultur des Bodens, selbst die Ansiedlungen, sobald sie dicht
und massenweise auf treten, wirken auf die Beugung der Linien ein.
Den Isothermen und verwandten Kurven haften alle die Stärken und Schwächen
an, die sich bei jedem Mittelwert finden, und wenn W. C. Witt wer im Anschluß
an Humboldt behauptet, daß die Isothermen auf die Wärme eines Ortes dasselbe
leisten, was die Landkarte in bezug auf die Lage, ist dies doch cum grano salis zu
verstehen. Absolute Größen geben sie nicht, sie sind variabel, nur in der Hervor
hebung und Veranschaulichung typischer klimatischer Erscheinungen besteht ihr
ungeschmälertes Verdienst, das sich erhöht, sobald eine praktische Auswertung daran
geknüpft wird.
1 J. Hann: Atlas der Meteorologie. Abteilg. III in H. Bergbaus’ Physikal. Atlas. Gotha
1887. Vorbemerkgn. S. 3—ö.