Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die See- und Meerkarte. 
M. Flinders u. a. Aber dadurch, daß mit Anfang des 19. Jahrhunderts England das 
Küstenvermessungswesen energisch in die Hand nahm, befreite es sich von der Vor 
mundschaft der holländischen Seekarten, die bis Ende des 18. Jahrhunderts noch ihr 
Prä behaupteten. 
In der Entwicklung des modernen Seekartenwesens schritten die Engländer 
allen andern Kulturstaaten voran, daß sie für die andern seefahrenden Nationen auch 
in der Seekartenaufnahme und -herstellung bald zum Lehrmeister wurden. Zum 
ersten Male wurde für ein groß angelegtes Seekartenwerk ein einziger Nullmeridian 
eingeführt, nach dem sich die Küstenaufnahmen des Mutterlandes sowohl wie die 
ferner Kolonialgebiete zu richten hatten. Der Nullmeridian von Greenwich hielt 
mit dem seit 1767 erscheinenden Nautical Almanac seinen Einzug in die Seekarten 
und bereitete der heillosen Zerfahrenheit, die sich in vielen Seekartenwerken bekundete, 
langsam aber sicher ein Ende. Noch 1789 sehen wir, daß sich die Karten in dem 
offiziellen spanischen Atlas maritimo nach vier Nullmeridianen, Paris, Teneriffa, 
Cadiz und Cartagena, richten. Fast alle Seekarten beziehen sich jetzt auf Green 
wich, mit Ausnahme von Frankreich, Spanien und Portugal. 1 Nicht vergessen sei, 
daß die Entwicklung des englischen Seekartenwesens durch das Hydrographie Office 
(seit 1795), dessen erster Leiter Alexander Dalrymple war, mächtig gefördert wurde. 1 2 
An die Bedeutung dieses Instituts reichen die fast zu gleicher Zeit begründeten ähn 
lichen Einrichtungen anderer Länder, wie die in Norwegen, Dänemark, Spanien und 
Portugal, nicht heran. 3 Eine Ausnahme bildet das Marinedepot, das seit Beginn 
des 19. Jahrhunderts in rühmlichem Wetteifer mit der englischen Admiralität für 
das Seekartenwesen Frankreichs ganz Bedeutendes geleistet und neben vielen einzelnen 
Karten über einheimische und überseeische Gebiete den vollständig au fait setzenden 
,,Pilote français“ unter der Direktion von C. F. Beautemps-Beaupré herausgegeben 
hat. 4 Dieser gilt als der „Vater der französischen Hydrographie“, denn während der 
Jahre 1810—1854 hat er seinen Fleiß und sein Talent ausschließlich der Leitung und 
Förderung des französischen Seekartenwesens gewidmet. 
Während in Europa sich am Anfang des vergangenen Jahrhunderts infolge 
der französischen Revolution die Neuordnung staatlicher und wirtschaftlicher Dinge 
vollzog und das französische Maßsystem die kontinentalen Länder Europas eroberte, 
unternahm das seebeherrschende Albion, das aus einem mehr als hundertjährigen 
Kriege mit den europäischen Westmächten seine Seemacht für alle Zukunft begründet 
zu haben schien, mit Hilfe seiner Marine nach besonderm, von dem französischen 
abweichenden Maßsystem, die erdballumspannende Aufnahme aller Küsten, Inseln 
und Meere, soweit sie innerhalb der Ökumene nur irgendwie eine Rolle zu spielen 
berufen sind. Späterhin mußte die Genehmigung der in Frage kommenden Länder 
bei den Küstenaufnahmen eingeholt werden. National bewußtere und gekräftigtere 
1 Frankreich bezieht auf Paris, 2° 20' 15" ö. Gr., Spanien auf San Fernando, 6° 12' 20" w. Gr., 
Portugal auf Lissabon, 9° 08' 24" w. Gr. 
2 Vgl. The hydrographie departement of the british admiralty. Nautical Magazine, April 1897. 
3 Über diese Einrichtungen orientiert ganz gut der zweite Teil des Abschnitts „Die Entwick 
lung der Seekarten“ im II. Bändchen von M. Grolls Kartenkunde, dem ich auch hier manche An 
regung verdanke, zumal er gerade das Ergebnis von Sonderstudien Grolls ist. 
4 Le Pilote français. Cartes des côtes de France, levées par les ingénieurs hydrographes et 
les officiers de la marine française sous la direction der C. F. Beautemps-Beaupré. 6 gros volumes. 
Paris.
	        
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