Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
der Karte in 1 : 100000, vermehrt um die Unterscheidungsformen Laub-, Nadel-, 
Mischwald und die Übergangsformen, wie sie sich im Buschwerk, Gestrüpp und 
Weidepflanzung, Plantagen — d. h. regelmäßigen Baumpflanzungen, Baumschulen 
und großem Pflanzgärten —, Weingärten und Hopfenanpflanzungen darbieten. 
Auch Heide, Moor, Bruch, trockene und nasse Wiesen werden unterschieden. Die 
Meßtischblätter bringen die sichern Einzelheiten zu den vorgenannten Pflanzen 
formationen. Ähnlichen Unterscheidungen begegnen wir bald mehr, bald weniger 
detailliert auf allen bessern fremdländischen topographischen Karten. Selbst morpho 
logische Spezialkartenwerke können sich des Waldkleides nicht entäußern, wie wir 
das an S. Passarges Meßtischblatt Stadtremda sehen. 1 
Die Wiedergabe von Wald und anderer Pflanzenformationen auf amtlichen 
topographischen Karten sind wir als „Vegetationskarten“ anzusprechen nicht ge 
wöhnt. Denn darunter verstehen wir die Karten, die sich ausschließlich mit der 
Vegetation beschäftigen. Diese Karten sind nicht alt. Sie wurden geschaffen, nach 
dem sich die Pflanzengeographie als besonderer Wissenschaftszweig entwickelte. 
Die Grundideen führen auf Karl Ludwig Willdenow (1792) und A. v. Humboldt 
(1805—1815) zurück. Doch kam es vorderhand zu keiner befriedigenden karto 
graphischen Darstellung. Man begnügte sich in der Hauptsache mit der bildlichen 
Wiedergabe der Vegetationsgürtel in vertikaler Ansicht, in sogenannten Profilen, 
aber in einer Darstellungsmanier, die heute noch nicht ausgestorben ist. Ich halte 
im allgemeinen nicht allzuviel von diesen Bildern, selbst wenn sie O. Drude in 
seinem Atlas der Pflanzenverbreitung mit verwendet hat. Gewiß gewähren sie einen 
malerischen Anblick, haben für naive Gemüter auch Anschauungswert, der heutigen 
Wissenschaft jedoch können sie trotz der Vergleichsmomente wenig genügen. 
Die Karte, die als erste den Namen „pflanzengeographische Karte“ verdient, 
findet sich im alten Berghausschen Physikalischen Atlas mit dem Be 
arbeitungsdatum 1838. Sie stellt die Verbreitung der Gewächse (nach den Haupt 
verhältnissen, s. unten) in Mercatorprojektion dar. Vorzugsweise beruht sie auf 
Humboldts „Statistik der vornehmsten Pflanzenfamilien und Pflanzengruppen“ 
und J. Schouws „Fünfundzwanzig phytogeographischen Reichen“. Außer des 
Flächenkolorits bedient sie sich Waldsignaturen, in Zacken- und Palmenform. Außer 
dem sind die Namen der Pflanzenfamilien eingeschrieben. Eigenartig ist der Versuch, 
die 25 Pflanzenreiche nicht bloß auf der einen Seite nach ihrer Lage und ihren 
Hauptvertretern zu benennen sondern auch auf der andern Seite nach den Reisenden 
und Botanikern, die die betreffenden Gebiete bereist, bzw. botanisch erforscht haben. 
So sehen wir z. B. De Candolle’s Reich im Mittelmeergebiet (Labiaten und Caryo- 
phyllinen), Bonplands Reich in Mittelamerika (Reich des Mexikanischen Hoch 
landes), Humboldts Reich im nordwestlichen Südamerika (Reich der Cinchonen), 
Martius’ Reich in Brasilien (Palmen) usf. Die Einteilung von Schouw gründet sich 
auf die drei Erfordernisse: Zunächst muß wenigstens die Hälfte der bekannten 
Pflanzenarten demjenigen Teile der Erdoberfläche, die zum pflanzengeographischen 
Reiche erhoben werden, eigentümlich angehören. Sodann muß mindestens der vierte 
Teil der Gattungen dem Reiche entweder völlig eigentümlich sein oder wenigstens 
in ihm ein so entschiedenes Maximum haben, daß die in andern pflanzengeographischen 
Ländern vorkommenden Arten nur als Repräsentanten zu betrachten sind. Endlich 
1 M. Eckert, a. a. O., S. 98.
	        
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