Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die See- und Meerkarte. 
Japan, Norwegen und insbesondere Deutschland. Natürlich besitzt jetzt auch jeder 
andere an das Meer grenzende Staat seine eigenen Küstenkarten, ganz gleich, ob er 
sie selbst aufgenommen hat oder von andern aufnehmen ließ. 
Die Methoden der Küstenaufnahmen, der Bestimmung von Breiten und Längen, 
die im 18. Jahrhundert einen mächtigen Aufschwung genommen hatten, kamen dem 
Seekartenwesen erst im folgenden Säkulum voll und ganz zugute. Jakobstab und 
Astrolabium verschwanden als Meßgeräte des Seemanns, nachdem man den . Spiegel 
sextanten, eine von J. Newton erfundene, später J. Hadley zugeschriebene Abart 
des Sextanten, bei Himmelsbeobachtungen zur Winkelmessung und Zeitbestimmung 
gebrauchte. Um der Längenbestimmungen nur einigermaßen Herr zu werden, be 
durfte es vieler Anstrengungen und Ermunterungen. Schon seit 1714 lief die Preis 
aufgabe des englischen Parlaments, nach der Längenbestimmungen bis zu einer 
Genauigkeit von 1 / 2 ° verlangt wurden. Aber erst 1770 wurde ein Teil der ausgeworfenen 
Summe an den Mathematiker L. Euler und die Erben von Tobias Mayer ausgezahlt; 
denn auf Grund der Eulerschen Mondtafeln verfaßte 1755 Tobias Mayer zu Göttingen 
so weit verbesserte Mondtafeln, daß sie um höchstens 1' 15" gegen die Beobachtungen 
abwichen. Die Mondtafeln sind tabellarisch zusammengestellte Daten zur Bestimmung 
der Mondörter für jeden erforderlichen Zeitpunkt. 1 Die Längen durch Zeitüber 
tragung zu bestimmen, war mit Hilfe des Chronometers gelungen, der als brauchbares 
Instrument zuerst in England durch Harrison 1765 hergestellt wurde. Das alles 
w T aren wichtige Erfindungen und Errungenschaften, die schließlich auch das See 
kartenwesen umgestalten mußten; und so gewinnt das Seekartenbild des 19. Jahr 
hunderts an Brauchbarkeit und Wissenschaftlichkeit und assimiliert sich in Genauig 
keit, Sicherheit und Verläßlichkeit mehr und mehr der topographischen Karte. 
Die Windrosenbilder mit ihren die Kartenfläche durchkreuzenden Rumben 
waren überflüssig geworden, nachdem das Gradnetz die Karte beherrschte; auch 
waren jetzt wichtigere Daten als die Rumbenstrahlen in das Kartenbild einzutragen, 
vor allem die vielen Seetiefen und die reiche Anzahl verschiedener Seezeichen. Die 
Plattkarte flackerte wohl am Anfang des Jahrhunderts noch etwas auf, um nur zu 
bald ganz und gar zu verglimmen und die Palme des Sieges endgültig der Mercator- 
projektion zu überlassen. Erst im 19. Jahrhundert wurde sie die Seekartenprojektion 
katexochen, wenn sie auch seit 1569, wo Mercator die Projektion zum ersten Male 
in großem Maßstabe anwandte, nicht so ein mimosenhaftes Dasein fristete wie ge 
wöhnlich angenommen wird (s. § 25). Allmählich dringt der gute Brauch durch, 
bei den Seekarten beschränkterer Seegebiete den Maßstab in der mittlern Breite 
anzugeben (s. § 29). 
Mit der Mercatorkarte hatte die Loxodrome ihre Herrschaft angetreten. Doch 
sollte gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch die Orthodrome zu ihrem Recht kommen, 
und zwar in den gnomonischen Karten, hervorgerufen durch die sich mächtig ent 
wickelnde Ozeandampfschiffahrt. Für den Dampfer ist es weniger schwierig, die 
kürzeste Entfernung zwischen zwei gegenüberliegenden Küstenorten, also die Ortho 
drome zu befolgen als der Segler. Der kürzeste Weg ist auch ökonomisch vorteil 
hafter. Andere Projektionen kommen für die moderne Seekarte kaum in Frage. 
1 Als die besten Mondtafeln gelten jetzt die von Hansen, die nach 20jähriger Arbeit 1857 
auf Kosten der englischen Regierung gedruckt worden sind: Tables de la lune, construites d’après 
le principe Newtonien de la gravitation universelle. Newton hatte schon in dem dritten Buche seiner 
„Principien“ die wichtigsten Ungleichheiten der Mondbewegung aus seinem Gravitationsgesetz erklärt.
	        
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