Zur Geschichte der Seekarte.
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Wie die Aufnahme der topographischen Karte im 19. Jahrhundert vollständig
in die Hand des Staates übergegangen war, so auch die der Seekarte. Von den zahl
reichen Privatfirmen, die sich ehedem mit der Herausgabe von Seekarten und Segel
handbüchern beschäftigten, existieren nur noch die über ein Yierteljahrtausend alte
Firma G. H. van Keulen & Co. in Amsterdam und die Firma Imray, Laurie, Norie
& Wilson in London, letztere hat sich im Laufe von über anderthalb Jahrhunderten
aus verschiedenen Firmen, wie die jetzige Bezeichnung erraten läßt, fusioniert. Der
Kupferstich, der schon im 16. Jahrhundert den Holzschnitt in der Seekartenreproduktion
verdrängt hatte, ist nach wie vor herrschend, eben wegen der unbegrenzten Korrektur
fähigkeit der Kupferplatten. Kommen buntfarbige Seekarten in Frage, bevorzugt
man die Lithographie. Manche Küstengebiete erheischen eine ständige Kontrolle
wegen der wechselnden Wassertiefe und der durch Gezeiten und Stürme verursachten
Verschiebung von Sandbänken. Darum sind verbesserte Neuauflagen von Seekarten
innerhalb weniger Monate nichts Seltenes; ja, Küstengebiete, wie das der Weser-
Jade, erfordern eigentlich eine monatlich verbesserte Karte. Eine weitere Folge
war die präzisere Angabe von Mittel- und Niedrigwasser. An der Au-courent-Haltung
eines Seekartenwerkes wird man stets seine Güte mit ermessen. 1
Was die alten Seekarten Gutes boten, erscheint in verfeinerter Weise im neuen
Bilde, z. B. die Vertoonungen, zwar nicht auf allen Seekarten, sondern nur da, wo
sie wirklich zweckmäßig sind. Um die Mißweisung, da die Karten nach dem geo
graphischen Norden orientiert sind, zu veranschaulichen, gebraucht man noch das
Kompaßbild. Auf den deutschen Seekarten sind es rechtweisende Kompaßbilder,
die entweder innerhalb eines großem Bildes noch ein kleineres mit der Mißweisung
zeigen oder außerhalb-am Rande des großem mit einem Pfeil die Mißweisung markieren. 1 2
Hier könnte noch viel einfacher verfahren und auf das Kompaßbild vollständig ver
zichtet werden, indem man an einem Meridian am besten am Kartenrand, mit einem
Strich und einer Winkelangabe die Mißweisung vermerkt, so ähnlich wie es auf den
neuesten deutschen Meßtischblättern 1 :25000 geschieht. Auf verschiedenen See
karten, wie auf den deutschen des Mittelmeers in 1 : 2500000, fehlt der Kompaß,
dafür sind die Isogonen fein ausgezeichnet. Die Tiefenangaben, die jetzt alle Seefahrt
küsten mehr oder minder dicht umschwärmen, rücken weiter ins Meer hinaus und
machen selbst vor den tiefsten Tiefen der großen Seebecken und -rinnen nicht halt,
aber sodann nicht mehr der Seeschiffahrt dienend als vielmehr der Legung von
Überseekabeln und der reinen Wissenschaft.
Von größter Wichtigkeit ist die genaue Wiedergabe der Seezeichen, die sich
infolge des sich riesig entwickelnden Seeverkehrs durch die Dampfer außerordentlich
vermehrt und differenziert haben. Eine gute Betonnung und eine gute Befeurung
ist die Voraussetzung eines sicher und rasch sich abwickelnden Seeverkehrs. Beides
muß darum auch auf der Karte genau vermerkt sein, wobei aus natürlichen Gründen
(Küstenschiffahrt!) mehr Sorgfalt auf die Darstellung der einheimischen Küsten
1 Man vgl. die kurze Zusammenfassung: On the correction of charts, light lists, and sailing
directions. London 1904.
2 Dem Notice to mariners, Hydrographie office, Nr. 255, Tokio (1913) entnehmen wir, daß
auf d. japanisch. Seekarten eine Änderung der Kompaßrose vorgenommen worden ist. Die äußere
Rose ist „rechtweisend“ u. trägt eine Teilung der Grade von 0 bis 360° im Sinne der Drehung des
Uhrzeigers. Die innere Rose ist „mißweisend“ u. hat die Quadranteneinteilung 0—90°. In den
amtlichen Segelanweisungen werden nur „rechtweisende“ Angaben gemacht.