Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
schieden werden. Geographisch sieht das System natürlich ans, ethnographisch 
und ethnologisch aber ist es künstlich, wie auch die Systeme der Forscher, die 
bloß nach dem Schädelbau die Rassen einteilen, wie A. A. Retzius, oder bloß nach 
der Beschaffenheit des Haares, wie E. Häckel, einer Anregung T. H. Huxley’s 
folgend. Die richtigen Karten zu diesen Systemen haben andere Autoren geliefert, 
unter denen insbesondere G. Gerland und W. Ripley zu nennen sind; damit gelangen 
wir in das Gebiet der rein anthropologischen Karten. 
Die natürlichen Systeme der Rasseeinteilung gehen auf J. Fr. Blumen 
bach (1752—1840) zurück, der eine kaukasische, mongolische, äthiopische, amerika 
nische und malayische Rasse unterscheidet. Obwohl das System die Grundlage der 
meisten neuern bildet, ist es heute veraltet. Großenteils wurde es durch C. Pickering, 
R. G. Latham und 0. Peschei erweitert. Pickering unterschied auf seiner Karte 
elf Rassen, aber nur für die alte Welt einschließlich Australien. 1 Peschel hat uns 
keine ethnographische Weltkarte hinterlassen. Seine seinerzeit sehr bekannte Ein 
teilung wurde mit viel Geschick von R. Hartmann verbessert. Schließlich mied 
man vollständig das Wort „Rasse“, wie Fr. Ratzel, der zwar kein neues Schema 
der Rasseneinteilung aufstellt, wohl aber als neues Moment die Kulturhöhe einflicht 
und von Yölkergruppen spricht, des weitern vom Völkerkreis, ein weit passenderer, 
den verschwindenden Grenzlinien der Ethnographie völlig entsprechender Begriff 
(H. Schurtz). Das kartographische Fazit der anthropogeographischen Erörterungen 
Ratzels ist die „klassifikatorische Karte der Menschheit im Rahmen der Ökumene,“ 1 2 
eine kleinmaßstabige Mercatorkarte, worauf er innerhalb des nordwestatlantischen, 
des pazifischen und des indo-afrikanischen Gebietes durch eigne Grenzen die Völker 
gruppen unterscheidet. Ratzels Karte ist keine Rassenkarte mehr, sondern eine ein 
fache Völkergruppierungskarte. Besser noch spiegeln sich die natürlichen Systeme 
in großmaßstabigen Karten wieder, insbesondere in Spezialkarten und in Karten 
einzelner Erdteile, wie sie im folgenden Kapitel betrachtet werden. 
Als gemischte Systeme, d. h. solche, die zwischen den künstlichen und natür 
lichen Systemen stehen und bald mehr nach dieser, bald mehr nach jener Seite aus 
legen, fasse ich die auf, die in der Dreigliederung der Menschenrassen nach der Haut 
farbe und in der weitern Einteilung nach Völkergruppen bestehen. Sie führen auf 
G. Cuvier (1769—1832) zurück, der 1817 zuerst von einer weißen, gelben und schwarzen 
Rasse sprach. Nehmen w r ir an den Grenzgebieten Mischgebiete, so wie H. Schurtz 3 , 
an, läßt sich heute noch mit dieser Einteilung etwas anfangen. Heinrich Berghaus 
ging von ähnlichen Erwägungen aus, als er seinem Physikalischen Atlas 1848 eine 
Rassenkarte einverleibte, auf der sechs Rassen unterschieden sind: Die weiße 
(kaukasisch-iranische), die gelbe (mongolische), die braune (malayische), die schwarz 
braune (Alfurus, Papuas), die schwarze (äthiopische, Neger) und die rote (amerika 
nische) Rasse. Die Karte von Berghaus erscheint als eine Verschmelzung von Cuvier 
mit Blumenbach. Einen Vorläufer der Berghaus sehen Karte kann man in der 
,,Weltkarte zur Übersicht der vorzüglichsten Varietäten des Menschen“ von 
C. F. Weiland erblicken, die 1835 in Weimar erschien. Ganz aus dem Rahmen 
1 C. Pickering: Geographical distribution of the races of man. In „The Races of Man“ 
von Pickering. New edition, London 1851. 
2 Fr. Ratzel: Anthropogeographie. II. Stuttgart 1891. K. am Schluß des Bandes. 
3 H. Schurtz, a. a. 0., S. 124, Fig. 31.
	        
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