Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
reich die Karte erscheint, so künstlich ist doch die ganze Methode des Aufbaus ; 
weil sie nur auf scheinbar gleichmäßigen Voraussetzungen beruht. Darum hat man 
ihr auch weiter nicht nachgeeifert. 
Die Karte von K. Weule ist jedem bequem zur Hand. 1 Sie betitelt sich 
,Verbreitung der Menschenrassen vor dem Eindringen der Europäer in die fremden 
Erdteile.“ Kartographisch wie ethnographisch ist sie eine gute Leistung. Durch 
die Fernhaltung des Einflusses der Europäisierung auf das ethnographische Gesicht 
der Erde hat Weule wie vor ihm bereits Kracher 1 2 , Bastian und Kiepert 3 , Gerland 4 
eine verständliche Einschränkung für sein Kartenbild geschaffen und damit eine 
große Klarheit für es gewonnen. Die drei großen Bassen, die weiße, gelbe und schwarze, 
bilden den Grundstock der Einteilung. Jede Basse zerfällt in verschiedene Gruppen, 
die gleichfalls kartographisch gut dargestellt werden. Die Karte bedient sich des 
Flächenkolorits; für die weiße Basse sind blaue, grünliche und violette Farben ge 
wählt, für die gelbe Basse gelbe und rötliche und für die schwarze braune und graue 
Töne. Mit einem Blick ist man über die Ausbreitung der Bassen orientiert. Auch 
die Nuancierungen der Untergruppen heben sich gut voneinander ab. Wer einem 
andern Bassebegriff huldigt, wird mit manchem auf der Karte nicht überein 
stimmen; z. B. gehören wohl der Theorie und der Karte nach die Finnen als 
Uralaltai er zur gelben Basse, wer aber die Finnländer genauer kennt, wird von ihren 
vielen westeuropäischen Zügen in Körpergestalt, Hautfarbe, Haarfarbe- und -beschaffen- 
heit, von ihrer offenbaren westeuropäischen geistigen Orientierung, die sie auffällig 
vom Mongolen scheidet, überrascht sein. Die Sprache macht es allein nicht! Sie 
läßt sich wechseln wie ein Kleid (Lepsius). Wir sehen, alte als sicher fundiert ge 
glaubte Systeme werden morsch und brüchig, was sich im Laufe der nächsten Jahr 
zehnte noch mehr zeigen wird, sobald wir unsere, erst in neuerer Zeit mehr bemerkbare 
Beobachtungsunfähigkeit und Wahrnehmungsschwächen in rassischen Dingen ab 
gestreift haben. 
167. Die anthropologischen Karten. Georg Gerland, dessen Meisterhand 
wir den bedeutenden Atlas der Völkerkunde in Herrn. Berghaus Physikalischem 
Atlas verdanken, hat uns keine eigentliche Karte der Bassen gezeichnet, weil ihm 
eine Einteilung der Menschheit in Bassen, d. h. eine scharf trennende, das ganze 
somatische Wesen umfassende Einteilung nach der Physis als unmöglich erschien; 
die Natur selbst gibt zu wenig Handhaben dafür. Es gibt keine reine Bassen. Alle 
Völker sind Mischvölker. Darum hält sich Gerland an einzelne anthropologische 
Erscheinungen und baut mit ihrer Hilfe die Karten auf, die er nur gelegentlich mit 
andern Merkmalen verknüpft, wenn es gerade noch die Übersichtlichkeit der Karte 
erlaubt. Seine erste hierhergehörige Karte gilt der menschlichen Haut. Mit sechs 
Flächenfarben hat er die Erdteile bedeckt. Aus ihnen lugt im Hintergrund doch 
1 Die Karte beschließt den „Leitfaden der Völkerkunde“ von K. Weule. Leipzig u. Wien 
1912. — Desgl. findet sie sich in Meyers Physikalischem Atlas, Leipzig u. Wien 1916, T. 9. 
2 A. J. Kracher: Ethnograph. Weltk. zum anthropolog. Teile der wissensch. Publikationen 
üb. d. Novara-Expedition. Wien 1868. 
3 A. Bastian und H. Kiepert: Übersichtsk. der ethnologischen Kulturkreise nach ihrer 
ungefähren Begrenzung im 15. Jahrh. In: Bastian: Das Beständige in den Menschenracen. 
Berlin 1868. 
4 G. Gerland: Ethnographische Weltk. zu Th. Waitzs Anthropologie der Naturvölker. 
In: Waitz: Anthropologie der Naturvölker. VI. Leipzig 1872.
	        
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