Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

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Die organische Welt im Kartenbild. 
die Dialektkarte übertragen, indem er zugleich das Volksdichteelement berücksichtigt 
und dies durch Kurven, die einzelne Dichtestufen begrenzen, zur Veranschaulichung 
bringt. Die Kurven sind durchaus nicht als absolute Dichtekurven aufzufassen; jene 
stehen zu diesen etwa in dem Verhältnis wie Formlinien (Geländekurven) zu Iso 
hypsen, d. h. zu möglichst wahren Höhenschichtlinien. Daß die von Struck an 
gewandte Methode den wirklichen afrikanischen Verhältnissen nicht entspricht, hat 
er selber erkannt; denn es würde eine Wohndichtekarte besser als Volksdichtekarte 
die Besiedlungsverhältnisse bez. die Mächtigkeit der einzelnen Stämme charakteri 
sieren. Aber die Grundlage zu einer derartigen Wohndichtekarte sind noch so mangel 
haft, daß man sich mit dem Versuch von Struck einstweilen schon zufrieden geben 
kann. Und als erster seiner Art ist er zweifelsohne anerkennenswert. Er leitet zu 
den ,,ethnischen Karten“ über, die gegenüber den gangbaren „Völkerkarten“ den 
Vorzug haben — richtiger müßte ich sagen, den Vorzug hätten, denn bis jetzt sind 
derartige Karten noch nicht richtig entworfen worden — neben Verbreitungs- und 
Grenzelementen verschiedene kulturelle Intensitätswerte zu veranschaulichen. 
17(1. Sprachgrenze, Sprachraum. Die Sprachgrenze bildet einen wichtigen Zweig 
der methodologischen Untersuchungen auf dem Gebiete der Sprachkarte. Sie ist in 
Gefolgschaft der Völkergrenze entstanden. Vielfach ist sie mit dieser identisch. Darum 
sind die Methoden der Untersuchung und Darstellung der einen zugleich die der andern. 
Den theoretisch schwankenden Begriff der Völkergrenze, je nachdem „Volk“ ethnisch 
oder politisch aufgefaßt wird, teilt allerdings die Sprachgrenze nicht. Letztere hält 
sich mehr an die ethnische Ausdeutung, wie wir sie auch bisher in andern Untersuchungen 
durchgeführt haben. 
Der Sprachgrenze fehlt die sichtbare Vermerkung der politischen Grenze. Ihr 
Verlauf ist ein schwankender, ein mehr oder minder stark vibrierender. Einige Dezennien 
oder gar Jahrhunderte, in denen sie festzuliegen scheint, ändert nichts an der 
Tatsache. Völker- und Volksbewegungen gehen ständig vor sich. Das ist eins der 
wichtigsten Lebenszeichen eines Volkes, sonst wäre es tot. Von den Grenzen zwischen 
Vlamen und Wallonen in Belgien, zwischen Deutschen und Franzosen in Elsaß- 
Lothringen und in der Schweiz, zwischen Deutschen und Italienern in den Alpen 
behauptet A. Penck, daß sie „seit Jahrhunderten festliegen, wie auch die politischen 
Grenzen sich hier geändert haben“. 1 So ohne weiteres ist dieser Satz nicht zu unter 
schreiben. Wer aus der Geschichte weiß, daß in Burgund und Französisch-Lothringen 
früher eigentlich deutsch gesprochen wurde, wo heute nur noch die französische Sprache 
erklingt, der kann die Augen nicht vor der Gefahr für die deutsche Sprache und deutsches 
Volkstum verschließen, die mit der neuen Epoche französischen Vordringens gegen 0 
entstanden ist. Ein gewisser Schutz gegen die Entdeutschung liegt in der Größe und 
geschlossenen Einheit des okkupierten Gebietes. 
Die genannten Grenzen zwischen Vlamen und Wallonen in Belgien usw. nennt 
Penck scharfe Grenzen. Scharfe Grenzen gibt es weder in völkischer noch sprachlicher 
Beziehung, höchstens bei der Abgrenzung zwischen bewohnbaren und dauernd 
unbewohnbaren Gebieten, was aber wiederum Penck in Abrede stellt. Scharf ist 
die Grenze niemals in Wirklichkeit, nur auf den Sprachkarten kleinern Maßstabes 
infolge der notwendigen Generalisierung oder auch auf Karten, die historischen Unter 
1 A. Penck: Die Deutsch, im poln. Korridor, a. a. O., S. 170.
	        
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