Full text: Die Kartenwissenschaft (2)

Ethische Karten (geistige Kulturkreiskarten) und besondere Kulturkarten. 
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weniger die wissenschaftliche Erfassung embarrassieren die Herausgabe notwendiger 
Einzelbilder. Es fragt sich nun, ob es nicht ratsamer ist, gar keine Karten heraus 
zugeben als solche Karten, die alles zeigen wollen und doch nichts zeigen. 
Ein schwieriger Punkt der anthropogeographisch bedingten Karten sei noch 
berührt, nämlich die Kubrizierung der einzelnen Kartenarten und -gruppen. Je 
nachdem von welchem Gesichtspunkte aus man an die Karten heran tritt, wird man 
die Gruppenzusammenstellung und -Ordnung vornehmen. Die Karte der Religionen 
kann ebensogut den Völkerkarten einverleibt werden wie sie hier an der Spitze der 
ethischen Karten steht. Wer will mich hindern, die medizinischen Karten nicht auch 
den Völkerkarten direkt anzugliedern anstatt sie als besondere Kulturkarten zu 
würdigen. Denken wir allerdings so, dann können wir schließlich alle Kulturkarten 
unter dem Oberbegriff „Völkerkarte“ bringen. Indessen gibt es doch innerhalb des 
großen Gebäudes der anthropogeographisch bedingten Karten eine Menge differentia 
specifica, die unsere Gruppierung zu rechte bestehen lassen. Schon die Sprachkarten 
muß man, wie es ja auch durch uns geschehen ist, von den Völkerkarten abheben, 
da sie diesen gegenüber ihre besondern Eorschungsmethoden entwickelt haben. Die 
medizinische Geographie wird sich noch soweit entfalten, daß sie gleichfalls auf einen 
besondern Wohnraum neben den andern großen Gruppen der Kulturgeographie und 
-kartographie Anspruch erhebt. In den Kulturkarten liegen ferner die Wurzeln vieler 
Gebiete, die je nach Zeit und Umständen selbständig werden. Im Laufe der 
künftigen Jahrzehnte und Jahrhunderte wird sich unstreitig eine reiche Anzahl 
besonderer anthropogeographisch bedingter Karten entwickeln, an die wir heutiges- 
tags noch gar nicht denken. 
Da also die Kartenarten, die wir noch kurz betrachten wollen, weder karto 
graphisch noch methodisch etwas Besonderes bieten, handelt es sich für mich in der 
Hauptsache darum, bloß einige wichtige Karten und Kartengruppen herauszuschälen, 
an denen ein Kartenforscher nicht vorübergehen darf. Im großen und ganzen sind es 
mehr Beiträge zu einer Geschichte der Karte und der Kultur. Gerade die Kultur 
geschichte hätte es sehr notwendig, auf die Kulturkarte näher einzugehen, da sie 
ein wichtiger Gradmesser der Kulturhöhe einer gewissen Zeitepoche ist. 
Eine Ausnahme zu dem Gesagten bilden die Wirtschafts- und Verkehrs 
karten, die eine Kartengruppe in der großen Familie der anthropogeographisch 
bedingten Karten für sich sind, hier also eine besondere Beachtung verlangen. Darum 
erachte ich sie für die moderne Entwicklung der angewandten Karte so bedeutungs 
voll. daß ich ihnen einen Hauptteil in meinen Forschungen und Untersuchungen 
gewidmet habe, um damit auch hier wieder ein Beispiel zu geben, wie bei der 
Einzelforschung vorgegangen werden muß (s. Teil V). 
180. Religion«- und Missionskarten. Die Religionskarten, insofern wir 
darunter Karten der Verbreitung der Religionen wie kirchlicher Einrichtungen ver 
stehen, blicken auf eine jahrhundertlange Entwicklung zurück. 1 Es werden also 
unter Religionskarten nicht bloß Konfessionskarten verstanden, wie dies bei 
1 Ich unterscheide bloß Religions- und Missionskarten, obwohl letztere im Grunde genommen 
auch eine Religionskarte ist. ln J. G. Krünitzs Ökonomisch-technologischer Encyklopädie (60. Bd. 
Berlin 1793, S. 85, 86) werden unterschieden: Religionsk., biblische K., kirchliche K. (Sprengel- 
einteilung) u. Klosterk. Hingewiesen wird auf die Homannischen Karten von Italien. Frankr. u. 
Deutschland m. d. Benediktinerklöstern.
	        
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