Full text: Die Kartenwissenschaft (2. Band)

Ethische Karten (geistige Kulturkreiskarten) und besondere Kulturkarten. 481 
gellendster Studien höchst vorsichtig herangetrauen, wie wir dies an dem Diagramm 
auf Karte 86 im Atlas Hierarchicus von C. Streit sehen. 1 Der Vorläufer der Karte 
im alten Berghaus ist J. Wylds Karte vom Jahre 1815. 1 2 Heute legt man mehr 
Gewicht auf eine detaillierte Erforschung und Wiedergabe der einzelnen Bekenntnisse 
und Sekten, wie der evangelischen, katholischen, griechisch-katholischen und abes- 
sinischen Christen, der Mohammedaner, mit besonderer Berücksichtigung der Sekte 
der Senussi, der Schiiten, sodann des Hinduismus mit besonderer Verbreitung der 
D§aina und Sikhs, des Buddhismus mit besonderer Hervorhebung der Religionen 
des Confucius, des Taoismus und der Sinto-Lehre. Eine Muster karte nach dieser 
Richtung hat G. Gerl and gegeben. 3 Weil er schon zuviel in das Kartenbild hinein- 
gepackt hat, stellt er die Verbreitung der heidnischen Völker summarisch da, vielleicht 
auch in der Überzeugung, daß es kaum möglich ist, die heidnischen Religionen nach 
ihrem innern Wesen einzuteilen, und dies würde über die ganze Erde hin ziemlich 
das gleiche sein. Das ist eine Anschauung, die sich nicht rechtfertigen läßt, gegen 
die Fr. Ratzel schon protestierte, daß diese Sonderung, die auf Karten den ganzen 
Reichtum der religiösen Vorstellungen der Naturvölker in den dunkeln Sack des 
„Heidentums“ packt, in grellem Widerspruch zu den Tatsachen steht. „Keinem 
Volke der Erde fehlen die drei großen Attribute jeder Religion: der Seelenglaube, 
die Kosmogonie und die Mythologie.“ 4 Da das Judentum nicht über weite zusammen 
hängende Räume verfügt, hat Gerland von dessen Darstellung abgesehen. Nur in 
einzelnen Ländern hat man es in Karten genauer verfolgt, so R. Andree im Deutschen 
Reiche. 5 
Nicht jede Weltkarte der Religionen kann mit der von wissenschaftlicher Tiefe 
getragenen Karte Gerlands konkurrieren. Rückt das Religiöse mehr in den Vorder 
grund, dürften die Bearbeiter an einer eingehendem Berücksichtigung des Heiden 
tums, wie wir eben betonten, nicht vorübergehen. R. Grundemann gibt mit einer 
Missionsweltkarte eine gute kompendiöse Übersicht der Verbreitung der christlichen, 
mohammedanischen und heidnischen Religionen. 6 Auf der Weltkarte der Reli 
gionen, mit der er später seinen Neuen Missionsatlas einleitet 7 , sind alle nichtmono 
theistischen Religionen in einen Topf geworfen worden, was sich weder vom allgemein 
religionsphilosophischen noch vom speziellen Standpunkt des Missionars aus billigen 
läßt. Die Missionsherichte haben wiederholt bekundet, daß höher entwickelte „heid 
nische“ Religionen sich dem Christentum gegenüber anders wie tief ersteh ende ver 
halten. Etwas besser ist die Missionskarte der Erde von Iv. Heilmann 8 , wenn auch 
hier wiederum die Mercatorprojektion stört, die im N von Asien und Amerika das 
übergewaltige(!) Gebiet der Heiden zeigt. Die Verschmelzung von Religions- und 
1 H. Wagner, der gern im Meere der Zahlen schwimmt, hat auch diese Religionsstatistik 
in seinem Lehrbuch der Geogr. (10. Aufl. Hannover 1923, S. 841 u. 842) mit aufgenommen, wobei 
er auf einer Gesamtbevölkerung von 1725 Millionen Seelen fußt. 
2 J. Wyld: Chart of the world. Shewing the religion, population and civilization of each 
country. London 1. Juni 1815. [Br. M. London.] 
3 G. Gerland: Atlas der Völkerkunde. Berghaus’ Physikalischer Atlas, Abt. VII. Gotha 
1892, T. III (Nr. 63), oberer Planiglob. 
4 Fr. Ratzel, a. a. O., S. 40. 
5 R. Andree und O. Peschei, a. a. O., T. 12. 
6 R. Grundemann: Missions-Weltkarte, hg. zu d. Blättern f. Mission aus Werdau. Leipzig 1869. 
7 R. Grundemann: Neuer Missions-Atlas. Calw u. Stuttgart 1896. 
8 K. Heilmann: Missionsk. der Erde. 1 : 50000000. Gütersloh 1891. 
Eckert, Karten Wissenschaft. If. 
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